In Deutschland ist die medizinische Betreuung von Schwangeren in den Mutterschafts-Richtlinien gesetzlich geregelt. Du hast Anspruch auf 10 bis 14 Vorsorgeuntersuchungen – in besonderen Fällen auch mehr, die von Frauenärzten oder niedergelassenen Hebammen (auch im Wechsel möglich) durchgeführt werden. Alle im Mutterpass vorgesehenen Untersuchungen werden von der Krankenkasse bezahlt. Der Abstand der Vorsorgeuntersuchungen beträgt zu Beginn der Schwangerschaft 4 Wochen, ab der 32. Schwangerschaftswoche alle 14 Tage. Die Befunde werden in den Mutterpass, den du nach Feststellung der Schwangerschaft erhältst, eingetragen. Du hast ein Recht darauf, dass der Mutterpass von deiner/m Ärztin/Arzt oder Hebamme sorgfältig ausgefüllt wird. Den Mutterpass solltest du immer bei dir tragen und bei jeder ärztlichen Untersuchung mitbringen.
Der Mutterpass spiegelt die Schwerpunkte der Untersuchungen wieder, die in Deutschland zur Zeit für die medizinische Betreuung von Schwangeren gelten. In anderen Ländern können dies ganz andere sein. Ein Kritikpunkt ist z. B., dass durch den sehr umfangreichen Risikokatalog (siehe Mutterpass, Seite 5) eine Schwangerschaft häufig als Risikoschwangerschaft eingestuft wird, obwohl diese Einschätzung eher dazu führt, die Schwangere zu verunsichern, als dass es tatsächlich zu Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf kommt. Es empfiehlt sich vor jedem Arztbesuch alle Fragen, Beschwerden, Stimmungsschwankungen, Ängste etc., die dich im Zusammenhang mit deiner Schwangerschaft beschäftigen, zu notieren, denn es kommt nicht selten vor, dass der Besuch beim Arzt so aufregend ist, dass du die Hälfte von dem, was du eigentlich wissen wolltest, in der momentanen Situation plötzlich vergessen hast.
Die Eintragungen im Mutterpass sind in der Regel für Laien nicht ohne weiteres zu durchschauen. Viele medizinische Fachausdrücke und Abkürzungen machen für die meisten aus dem Mutterpass ein Buch mit 7 Siegeln. Die folgenden Erläuterungen tragen hoffentlich dazu bei, dass du besser verstehst, warum bestimmte Untersuchungen notwendig sind und welche Vorsorgemaßnahmen sich aus den Befunden ableiten.
Auf den Seiten 2 und 3 des Mutterpasses werden die Analyse-Ergebnisse des Labors der von dir abgegebenen Blutproben eingetragen. Im Feld für die Blutgruppen-Zugehörigkeit, deine Blutgruppe und dein Rhesus-Faktor (Rh). Falls du Rh negativ bist und der Kindsvater Rh positiv, kann dein Kind entweder deinen oder seinen Rhesus-Faktor geerbt haben. Wenn dein Kind Rhesus positiv ist, bedeutet das, dass dein Körper Antikörper bilden kann, wenn dein Blut mit dem Blut des Kindes über die Nabelschnur in Kontakt kommen sollte. Diese Antikörper können bei einer weiteren Schwangerschaft zu schwerwiegenden Problemen führen. In der 28. Schwangerschaftswoche wird dir vorbeugend ein Anti-D-Präparat gespritzt. Dies geschieht ebenfalls bei einer Fruchtwasseruntersuchung oder bei Blutungen, da der Rhesus-Faktor des Kindes ja noch unbekannt ist. Nach der Geburt wird der Nabelschnur Blut entnommen und festgestellt, welchen Rhesus-Faktor dein Kind hat. Sollte es tatsächlich Rhesus positiv sein, musst du innerhalb von 72 Stunden eine Anti-D-Spritze bekommen.
Weiterhin wird in deinem Blut nach Antikörpern gesucht, die auf eine eventuelle Krankheit hinweisen. Im Feld für den Antikörper-Suchtest wird eingetragen, ob Antikörper gefunden wurden. Falls ja, ist der Befund positiv, wenn keine vorhanden sind, ist der Befund negativ. Ein negativer Befund bedeutet übrigens generell, dass alles in Ordnung ist.
Eine Rötelinfektion der Mutter in den ersten 3 Schwangerschaftsmonaten (je jünger die Schwangerschaft, desto wahrscheinlicher ist eine Fehlbildung) führt in der Regel zu schweren Missbildungen des Ungeborenen: Augenfehlbildungen 70%, Ohr (Taubheit) 60%, Herzmissbildung wie z.B. nicht geschlossene Herzwände 50%, geistige Schäden 45%. Im Feld Röteln-HAH-Test wird eingetragen, ob in deinem Blut eine ausreichend hohe Konzentration von Antikörpern gegen Röteln gefunden wurden. Der Rötel-Titer gibt an, wie hoch deren Konzentration im Blut ist. Bei einem Titer von mindestens 1:16 bist du gegen Röteln immun.
Wird bei einer schwangeren Frau ein Titer unter 1:16 festgestellt, so kann in der Schwangerschaft NICHT gegen Röteln geimpft werden. Sie sollte dann unbedingt versuchen, sich von Röteln-Kranken fernzuhalten. Hatte ein Schwangere doch Kontakt mit einer an Röteln erkrankten Person, dann muss die passive Immunisierung (Passive Schutzimpfung: Verabreichung von Antikörpern gegen den Rötelnvirus) innerhalb der ersten vier Tage der Inkubationsphase erfolgen. Ist die Schwangere zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der 6. SSW muss noch sechs Wochen noch mal immunisiert werden. Der Schutz dieser Immunisierung ist trotzdem fraglich. Ist eine Schwangere definitiv mit Röteln infiziert, kann eine Abtreibung wegen medizinischer Indikation erfolgen und wird im allgemeinen angeraten.
Clamydia trachomatis-Antigen-DNA aus einer Urinprobe mittels Nukleinsäure-amplifizierendem Test (NAT)
Clamydien sind Erreger, die häufig am Gebärmutterhals auftreten und zu Fehl- oder Frühgeburten führen können. Während der Geburt kann das Neugeborene sich mit diesen Erregern infizieren, was zu Augen- und Lungenentzündungen führen kann. Clamydieninfektionen der Mutter lassen sich bin der Schwangerschaft gut behandeln, so dass eine Ansteckung des Kindes sicher vermieden werden kann.
Routinemäßig wird ebenfalls der sogenannte Lues-Suchreaktions-Test (LSR) durchgeführt, um eine Erkrankung an Syphilis auszuschließen, da dadurch auch Fehl- oder Frühgeburten verursacht werden können. Ebenfalls kann in Absprache mit dir ein Aids-Test gemacht werden. Im Mutterpass darf nur eingetragen werden, ob diese Tests durchgeführt wurden, nicht aber, ob der Befund positiv oder negativ war. Diese Information fällt unter die ärztliche Schweigepflicht und ist in deinem Interesse keine Information, die ohne deine Zustimmung für andere zugänglich sein darf.
Toxoplasmose-Test
Toxoplasmose ist für Erwachsene eine harmlose Infektion, kann aber für das ungeborene Kind gefährlich werden.
Dieser Test wird in der Regel nur bei Frauen durchgeführt, die ein erhöhtes Risiko haben, sich mit dem Erreger anzustecken.
Toxoplasmose wird vor allem beim Verzehr von rohem oder halbgegartem Fleisch von Schwein und Schaf übertragen. Während der Schwangerschaft solltest du vorsichtshalber keinen Tartar, halbdurchgebratene Steaks, Mettwurst oder Salami essen. Eine weitere Ansteckungsquelle ist der Kot von Katzen, die insbesondere außer Haus frei herumlaufen.
HBs-Antigen
Dieser Test wird in der 32. Schwangerschaftswoche der durchgeführt, um eine Erkrankung der Schwangeren an Hepatitis B auszuschließen. Falls der Befund positiv ist, wird das Kind direkt nach der Geburt geimpft, da bei Neugeborenen eine Hepatitis B – Erkrankung zumeist einen sehr schweren Verlauf nimmt.
Hämoglobingehalt (Hb-Wert)
Der Hb-Wert gibt Auskunft über die Eisenkonzentration im Blut, die von der Anzahl der roten Blutkörperchen abhängt und ein Indikator für die Sauerstoffversorgung von Mutter und Kind ist. Im Verlaufe der Schwangerschaft verdünnt sich das Blut einer Schwangeren durch eine Zunahme an Flüssigkeit. Die Anzahl der roten Blutkörperchen bleibt dabei konstant, was zur Folge hat, dass der Hb-Wert sinkt. Dies ist kein Grund zur Beunruhigung, im Gegenteil, denn nur „dünnes“ Blut kann durch die teilweise haarfeinen Gefäße des Mutterkuchens zirkulieren und somit das Kind ausreichend mit Sauerstoff versorgen. Allerdings sollte· der Hb-Wert nicht unter 10.5 mol/l absinken. Abgeschlagenheit und Müdigkeit könnten ein Zeichen sein, dass dein Eisenwert zu niedrig ist. Der Hb-Wert wird im Verlauf der Schwangerschaft mehrere Male kontrolliert, um gegebenenfalls über die Ernährung und/oder Einnahme von Kräuterblutsaft/Eisentabletten dem Körper wieder mehr Eisen zuzuführen, damit mehr Hämoglobin gebildet werden kann.
WICHTIG!
Ein Abstrich bei der Schwangeren, um eine Gonorrhoe (Tripper) auszuschließen, ist in den Mutterschafts-Richtlinien nicht vorgeschrieben. Falls dein Arzt diesen nicht von sich aus anbietet, solltest du auf die Durchführung bestehen. Der Erreger, Neisseria gonorrhoeae, wird während der Geburt von der infektiösen Genitalregion der Gebärenden auf ihr Kind übertragen. Die Gefahr für das Kind besteht in einer Bindehautentzündung durch die Gonokokken (Conjunctivitis gonorrhoica neonatorum), die unbehandelt in kürzester Zeit zur Erblindung führt. In vielen Kliniken wird deswegen routinemäßig die Credésche Prophylaxe (je 1 Tropfen 1%ige Silbernitratlösung in den Bindehautsack beider Augen des Neugeborenen träufeln) vorgenommen. Die Tropfen sind sehr schmerzhaft für das Kind und bei einem negativen Befund deines Abstrichs völlig unnötig.
Auf Seite 4 des Mutterpasses werden wichtige Informationen zu voran-gegangenen Schwanger-schaften notiert.
Fachausdrücke:
Spontangeburt – Kind kam auf normalem Weg zur Welt
Sectio – Kaiserschnitt
Vaginale Operationen – Kind kam mit Hilfe von Saugglocke oder Zange
Abort – Fehlgeburt
Abruptio – Schwangerschaftsabbruch
EU (Extra-Uterin) -· Schwangerschaften außerhalb der Gebärmutter, z.B. Bauchhöhlenschwangerschaft, Eileiterschwangerschaft etc.
Auf Seite 5 des Mutterpasses werden alle wichtigen Informationen, sowohl zu deiner allgemeinen Kranken-geschichte (Anamnese) aufgeführt, als auch die Befunde früherer Schwangerschaften.
Unter Gravida wird die Anzahl der Schwangerschaften eingetragen, inklusive Abbrüche oder Fehlgeburten, unter Para die Anzahl der tatsächlichen Geburten. Je nach persönlichem Dafürhalten anhand der Antworten aus den 26 aufgeführten Fragen in der Liste, stuft dein/deine Arzt/Ärztin dich als Risikoschwangere ein oder nicht. In Deutschland reicht für viele Ärzte allein das Alter einer Schwangeren aus (siehe Ziffern 13 und 14), um sie als Risikoschwangere einzustufen.
Bei der ersten Vorsorgeuntersuchung (und selbstverständlich allen weiteren) solltest du ausführlich von deinem/r Arzt/Ärztin oder Hebamme beraten werden z. B. über:
- Gesunde und ausgewogene Ernährung
- Mutterschutzbestimmungen am Arbeitsplatz und gesetzliche Regelungen zum Mutterschutz vor und nach der Geburt sowie Elternzeit/Erziehungsgeld
- Medikamenteneinnahme
- Sinn und Unsinn pränataler Diagnostik
- Wie du mit eventuellen Ängsten oder anderen psychischen Problemen, Stress und typischen Schwangerschaftsbeschwerden umgehen kannst
- Vorbereitung auf die Geburt und das Stillen
- Wahl des Geburtsortes
- Betreuung im Wochenbett
- etc.
Häufig kommt diese Beratung, insbesondere bei Ärzten, aus Zeitmangel viel zu kurz, so dass nur lapidar darauf hingewiesen wird, z. B. auf Rauchen oder Alkoholgenuss in der Schwangerschaft zu verzichten, was inzwischen wohl jedem bekannt ist. Falls du bei der Aufklärung und Beratung einen persönlichen Schwerpunkt hinsichtlich der Vorsorge siehst, frage Ärzten und Hebammen ruhig ein Loch in den Bauch.
Auf Seite 6 geht es um deine momentane Situation, es werden die besonderen Befunde im Schwanger-schaftsverlauf notiert, also, ob du an bestimmten Krankheiten leidest und deswegen Medikamente einnehmen musst (Dauermedikation), sonstige Beschwerden hast oder unter psychischem Druck stehst, z. B. gerade das Rauchen aufgibst (Abusus = Drogenmissbrauch).
Terminbestimmung
Der voraussichtliche Geburtstermin deines Kindes wird unter Angaben deiner Zykluslänge und dem 1. Tag deiner letzten Menstruation berechnet. Eine Schwangerschaft dauert ab Befruchtung durchschnittlich 266 Tage. Da ab dem ersten Tag der letzten Menstruation gerechnet wird, geht man von 280 Tagen aus, das entspricht 40 Wochen oder 10 Mondmonaten. Normal entwickelte Neugeborene kommen ab der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche bis Ende der 42. Schwangerschaftswoche zur Welt.
Zur Feststellung der Schwangerschaft wird häufig eine Untersuchung mit einem so genannten Vaginalscanner durchgeführt, das ist ein Detektorstab aus Kunststoffe, der direkt in die Vagina eingeführt wird.
Weitere Fachausdrücke in der Liste:
34 Placenta praevia – Mutterkuchen liegt vor dem inneren Muttermund und versperrt den Geburtskanal
36 Hydramnion – zu viel Fruchtwasser
37 Oligohydramnion – zu wenig Fruchtwasser
38 Terminunklarheit – Geburtstermin ist nicht genau berechenbar
39 Placenta-Insuffizienz – Funktionsstörung des Mutterkuchens, Gefahr der Unterversorgung des Ungeborenen
40 Isthmozervikale-Insuffizienz – Gebärmutterhalsschwäche
42 Anämie – Eisenmangel der Mutter
44 Indirekter Coombstest positiv – Antikörper gegenüber anderen Blutgruppen bei der Mutter nachgewiesen
45 Risiko aus anderen serologischen Befunden – positive Befunde aus den serologischen Untersuchungen (siehe Seite 2 und 3, Mutterpass), die für Mutter und/oder gesundheitsgefährdende Folgen haben können
46 Hypertonie – zu hoher Blutdruck
48 Ödeme – Wasseransammlungen im Gewebe
49 Hypotonie – zu niedriger Blutdruck
50 Gestationsdiabetis – Zuckerkrankheit der Mutter
51 Einstellungsanomalie – Köpfchen des Kindes liegt kurz vor der Geburt nicht vor dem Muttermund
Im Gravidogramm auf Seite 7 und 8 werden die Befunde der einzelnen Vorsorgeuntersuchungen eingetragen.
Von links:
Spalte 1 – Datum der Vorsorgeuntersuchung
Spalte 2 – Schwangerschaftswoche
Spalte 3 – ggf. korrigierte Schwangerschaftswoche
Spalte 4 – Fundusstand. Der Fundusstand ist die Höhe der oberen Begrenzung der Gebärmutter. Er orientiert sich am Abstand zur Symphyse (Schambeinfuge). Beispiele:
Sy+3 = 3 Querfinger über der Symphyse
N-2 = 2 Querfinger über dem Bauchnabel
Rgb-2 = 2 Querfinger über dem Rippenbogen
Spalte 5 – Kindslage. Abkürzungen:
SL = Schädellage, BEL = Beckenendlage, QL = Querlage, S = Schräglage
Spalte 6 – Herztöne des Kindes
Spalte 7 – Kindsbewegungen
Spalte 8 – Ödeme/Varikosis. Ödeme sind Wassereinlagerungen im Gewebe und können ein Hinweis auf eine so genannte Schwangerschaftsvergiftung* sein. Varikosis ist der Fachausdruck für Krampfadern.
Spalte 9 – Gewicht der Mutter
Spalte 10 – Blutdruck der Mutter
Spalte 11 – Eisenwert der Mutter
Spalte 12 – Befund der Urinproben (Eiweiß, Zucker, Nitrit, Blut,·ggf. bakteriologische Befunde)
Spalte 13 – Vaginale Untersuchungen. Hier wird z.B. eingetragen, ob der Gebärmutterhals noch ausreichend Länge hat oder der Muttermund bereits geburtsreif ist.
Spalte 14 – Risiko-Nr. nach Katalog B (siehe Seite 6, Mutterpass)
Spalte 15 – Sonstiges/Therapien/Maßnahmen
*Schwangerschaftsvergiftung oder EPH-Gestose oder Prä-Eklampsie
E = Ödeme (lat. Edeme)
P = Proteiuri ((Eiweißausscheidung im Urin)
H = Hypertonie (Bluthochdruck)
Besonderheiten zu den Katalogen A. und B. (siehe Seite 5 und 6)
Katalog A und B
Hier werden die Maßnahmen und Therapien eingetragen, die der Arzt/Ärztin aufgrund der Befunde aus den Katalogen A und B verordnet hat. Dazu kann auch eine stationäre Einweisung ins Krankenhaus gehören, z. B. bei einer Gebärmutterhalsschwäche, um eine drohende Fehlgeburt zu verhindern.
Cardiotographische Befunde
Herztöne des Kindes und Wehentätigkeit der Gebärmutter werden mit Hilfe eines Cardio-Tokographens (CTG) aufgezeichnet. Der Befund wird in die Tabelle auf Seite 9 eingetragen.
Intervalle: ab der 28. SSW alle 2 Wochen, ab der 37. SSW jede Woche.
Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen sind nach Anlage 1a der Mutterschafts-Richtlinie drei Ultraschall-Untersuchungen vorgesehen:
I. Screening 09.-12. SSW
II. Screening 19.-22. SSW
III. Screening 29.-32. SSW
In Deutschland wird Ultraschall seit 1979 routinemäßig in der Schwangerenvorsorge eingesetzt. In anderen europäischen Ländern, z. B. in Skandinavien und England, sowie in den USA ist dies nicht der Fall. Bisher gibt es nur vereinzelt kritische Stimmen, die davor warnen, dass sowohl eine möglicherweise teratogene (= Fehlbildungen erzeugende) Wirkung, als auch die genetische Unbedenklichkeit dieser Untersuchungsmethode noch nicht zweifelsfrei geklärt sei und weisen darauf hin, dass es bei den Röntgenstrahlen 50 Jahre gedauert hätte, bis nachgewiesen werden konnte, dass das Röntgen gesundheitsschädlich sein kann. Was jedoch heute kein Experte mehr bestreitet, Ultraschalluntersuchungen setzen das Baby starkem Lärm aus. Es nimmt die Töne in einer Lautstärke wahr, die mit einer U-Bahn vergleichbar ist, die in die Haltestelle einfährt. Je höher die Leistung des Ultraschallgerätes, desto größer ist der Lärm. Welche Folgen dies für das Ungeborene haben könnte, ist noch nicht erforscht.
Im I. Screening wird festgestellt, ob:
- der Embryo in der Gebärmutter sitzt (intrauteriner Sitz) oder ob es sich um eine Eileiter- oder Bauchhöhlenschwangerschaft handelt
- der errechnete Geburtstermin stimmt
- Herzaktion des Embryos vorhanden ist
- Verdacht auf (V. a.) eine Mehrlingsschwangerschaft besteht
- es Auffälligkeiten gibt
- der Embryo zeitgerecht entwickelt ist, indem das Baby über verschiedene Schnittebenen ausgemessen wird -> biometrische Daten
(FS = Durchmesser des Fruchtsackes, SSL = Schädel-Steiß-Länge, BDP = Biparietaler Durchmesser (Kopfdurchmesser von Schläfe zu Schläfe)
Aufgrund dieser Befunde kann die Ärztin/der Arzt weiterführende Untersuchungen· (Konsiliaruntersuchungen) veranlassen. Seit September 2009 werden beim Punkt „Auffälligkeiten“ keine Beispiele mehr genannt. Davor wurde hier das dorsonuchale Ödem abgefragt, besser bekannt als „verdickte Nackenfalte“. Du findest Informationen hierzu im Artikel Nackenfaltenmessung und Ersttrimester-Screening. Wenn du diesen ersten Schritt der pränatalen Diagnostik nicht gehen willst, solltest du dies deiner Ärztin/deinem Arzt im Gespräch vor dieser ersten Ultraschall-Untersuchung mitteilen, damit sie/er Bescheid weiss, dass du dein Recht auf Nichtwissen geltend machst, und das Ultraschallbild nicht auf den Verdacht auf eine verdickte Nackenfalte hin beurteilt.
Im II. und III. Screening wird festgestellt, ob
- eine Einlings- oder Mehrlingsschwangerschaft besteht, und ob Mehrlinge monochorial sind, d.h. von einer gemeinsamen Plazenta versorgt werden. In diesem Fall, der nur bei eineiigen Mehrlingen auftreten kann, besteht das Risiko, dass der Blutaustausch der Kinder untereinander (fetofetales Transfusionssyndrom) nicht ausgewogen ist, was für alle beteiligten Kinder ein Risiko darstellt.
- das Kind lebt
- wo die Plazenta liegt (Planzentalok.) und ob ihre Funktion (Palzentastruktur) einwandfrei ist bzw. eine Kontrolle erfolgen sollte
- die Entwicklung des Fötus zeitgerecht ist anhand der biometrischen Daten:
BPD – Biparietaler Durchmesser (Kopfdurchmesser von Schläfe zu Schläfe)
FOD/KU – Fronto-okzipitaler Durchmesser/Kopfumfang (Kopfdurchmesser von Stirn zu Hinterkopf und Kopfumfang)
ATD – Abdominaler Transversaldurchmesser (Bauchdurchmesser von Rippe zu Rippe)
APD/AU – Anterior-posteriorer Durchmesser/Abdominalumfang (Bauchdurchmesser von vorne nach hinten. Der Bauchumfang wird auch gemessen.)
FL/HL – Femurlänge/Humeruslänge (Länge der Oberschenkel- und Oberarmknochen) - Fruchtwassermenge – zu viel kann z. B. auf eine Funktionsstörung der kindlichen Niere hinweisen, zu wenig auf eine Wachstumsverzögerung
- die körperlichen Entwicklung, es werden nacheinander Kopf, Brustbereich, Rumpf, Gliedmaßen und Wirbelsäule betrachtet, einwandfrei ist
- die Darstellung des Körperumrisses einwandfrei ist, z. B. ein offener Rücken vorhanden ist
- die Organe des Kindes (fetale Strukturen) einwandfrei darstellbar sind
- Herzaktionen vorhanden sind, z. B. ein unregelmäßiger Herzschlag wäre Anlass für weiterführende Untersuchungen
- Bewegungen des Kindes vorhanden sind
Wichtig für dich zu wissen ist, dass die biometrischen Daten, mit Hilfe derer die zeitgerechte/körperliche Entwicklung des Fötus beurteilt werden, nur Durchschnittswerte sind und jeder Fötus sich individuell entwickelt bzw. aufgrund seiner Erbanlagen Größe und Gewicht vorgegeben sind. Die Messwerte sind abhängig von der Person, die sie vornimmt (z. B. besondere Fortbildung und/oder langjährige Erfahrung hinsichtlich Ultraschalldiagnostik) und vom Gerät (z. B. welches Baujahr, welcher Hersteller) und daher immer mit persönlichen und gerätespezifischen Fehlern behaftet. Häufig wird anhand der biometrischen Daten das voraussichtliche Geburtsgewicht deines Kindes berechnet. Das Ergebnis wird mit einer Abweichung von +/- 10 % angegeben. Die Berechnung sollte mit aller Vorsicht zur Kenntnis genommen werden, denn sie beruht auf einer empirisch ermittelten Formel, d. h. die biometrischen Daten von einer großen Anzahl von Föten und deren tatsächlichen Geburtsgewichten wurden miteinander in Beziehung gesetzt und daraus eine Formel „gebastelt“. Insofern gilt auch hier der Satz, glaube keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast.
In der Anlage 1 b der Mutterschafts-Richtlinien sind die Indikationen für weiter-führende Ultraschalluntersuchungen zur Überwachung der Schwangerschaft aufgeführt. Hierzu gehören z. B. Mehrlingsschwangerschaften, unklares Schwangerschaftsalter, Kontrolle des Plazentasitzes bei vermuteter oder nachgewiesener Plazenta praevia (Plazenta vor dem Muttermund), erstmaliges Auftreten von Blutungen.
Im Diagramm auf der Seite 13 sind auf der X-Achse die Schwangerschaftswochen und auf der Y-Achse die biometrischen Daten ATD und BPD in mm aufgetragen (Normkurven). Die fettgedruckten Kurven stellen die Durchschnittswerte dar (d. h. 50 % aller Kinder entsprechen diesem Kurvenverlauf in Abhängigkeit von der Schwangerschaftswoche). Als normal werden alle Werte eingestuft, die innerhalb der 5 % – 95 % Kurven liegen. Werte außerhalb dieser Kurven bedeuten: 5 % aller Kinder sind kleiner und 5 % aller Kinder sind größer bezogen auf den Durchschnittswert.
Über die Anlagen 1 a und 1 b der Mutterschafts-Richtlinie hinaus können weiter-führende Ultraschall-unter-suchungen zur Abklärung oder Überwachung pathologischer Befunde durchgeführt werden. Folgende Indikationen hierfür können z. B. sein:
Ausmessung des Muttermundhalses (Zervix) bei Zervixinsuffizienz oder Verdacht, bestätigter vorzeitiger Blasensprung und/oder vorzeitige Wehentätigkeit, Verdacht auf vorzeitige Plazentaablösung, Kontrolle und gegebenenfalls Verlaufsbeobachtung nach Bestätigung einer bestehenden Anomalie oder Erkrankung des Fetus.
Dopplersonographische Untersuchungen nach Anlage 1 d der Mutterschaftsrichtlinie
Mit Hilfe der dopplersonographischen Untersuchung (Strömungsgeschwindigkeitsmessung) kann der Blutkreislauf des Kindes beurteilt werden.
Folgende Indikationen sind aufgeführt:
Verdacht auf Wachstumsverzögerung, EPH-Gestose (-> Erklärung siehe unter Gravidogramm, Seite 7/8) der Mutter, Auffälligkeiten der fetalen Herzaktivität, Begründeter Verdacht auf fetale Fehlbildung/Erkrankung.
Die Abschlussuntersuchung ist unterteilt in drei Themengebiete:
Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett.
Fachausdrücke:
SP – Spontangeburt
S – Sectio (Kaiserschnitt)
Vag. Op. – Zangen- oder Saugglockengeburt
SL – Schädellage
BEL – Beckenendlage (=Steißlage), Baby sitzt aufrecht in der Gebärmutter
QL – Querlage, Baby liegt quer in der Gebärmutter
Apgar-Zahl – Sofort nach der Geburt, nach fünf und nach zehn Minuten wird das Baby mit Hilfe des Apgar-Schemas bewertet. Beurteilt werden Hautfarbe, Herzschlag, Atemtätigkeit, Bewegungsaktivität und Reflexe nach Punkten. Das bestmögliche Ergebnis sind jeweils zehn Punkte.
pH-Wert – gibt Auskunft über den Säuregrad des Blutes in der Nabelschnuraterie. Dieser Wert sollte mindestens 7,15 betragen.
Anti-D-Prophylaxe – Vorsorgliche Injektion von Anti-D-Immunglobulin an eine Rhesus-negative Schwangere mit einem Rhesus-positiven Baby gleich nach dessen Geburt (siehe auch S. 2, serologische Untersuchungen)
Die 2. Untersuchung nach der Entbindung bei deiner Frauenärztin oder Hebamme solltest du 6 bis 8 Wochen nach der Geburt vornehmen lassen. Du wirst nach deinem Befinden gefragt und nach Besonderheiten im Wochenbett. Ebenfalls sollte sich der/die Arzt/Ärztin erkundigen, ob das Stillen klappt und dir gegebenenfalls eine Stillberaterin empfehlen können. Du wirst vaginal untersucht und dein Bauch wird abgetastet, um zu ermitteln, wie die Rückbildung der Gebärmutter voranschreitet bzw. ob sie sich bereits ganz zurück gebildet hat. Sollte bei dieser Untersuchung alles in Ordnung sein, bedeutet dies, der gynäkologische Befund ist unauffällig.
Dein Eisenwert (Hb) im Blut wird bestimmt und dein Urin auf Zucker (Z pos.) und Eiweiß (E pos.) untersucht. Sollte der Befund positiv sein, sind weitere Untersuchungen notwendig. Dein Blutdruck (RR) wird gemessen. U 3 = Vorsorgeuntersuchung des Säuglings durch einen/e Kinderarzt/-ärztin in der 4. – 6. Lebenswoche.