Beitrag von Henrietta
Manchmal bekommt man als Außenstehende Situationen mit und beurteilt sie verkehrt, weil man keine Vorgeschichte kennt. Wer weiß schon, wie Kinder und Familien sonst so sind. Kleine Ausschnitte können sehr verzerrte Bilder bieten.
Gerade habe ich aber einen kleinen Ausschnitt gesehen, wo ich dachte – hier sehe ich von außen etwas, was mir als Mutter in der gleichen Situation vielleicht nicht auffällt. Ein kleiner Junge, etwa vier Jahre, schiebt wimmernd und leise weinend seinen Roller über den Bahnsteig. Der Vater war vorausgegangen, dem Kind mitteilend, dass es alleine weiterfahren könne. Ein paar Gesprächsteile habe ich – unfreiwillig – mitgehört. Ja, kann ich verstehen, dass der Vater angefasst war. Mich würde es auch sauer machen, wenn mein Kind im Zug nicht auf mich hört, durch alle Wägen rennt und beim Aussteigen nicht gleich auffindbar ist. Vor Sorge würde ich dann auch schnell auf „wütend“ umschalten.
Was ich aber auch gehört habe: Dass das Weinen total kläglich war. Egal, was vorher gelaufen war, wie sehr das Kind auch seinen Vater ignoriert hat – in dem Monent, wo er es deswegen hat stehen lassen mit der Ankündigung, es solle sehen, wie es zurechtkomme, hatte der kleine Junge Angst. Und er brauchte nichts dringender als die Versicherung, dass sein Papa ihn nicht alleine lässt. Was auch sonst abgelaufen ist, was ich bei diesem kleinen Ausschnitt nicht mitbekommen habe: Wer weiß. Aber ich habe die Angst und Verlassenheit im Weinen des Jungen gehört und mich daran erinnert, dass ich in einer Situation, wo ich sauer auf mein Kind bin, auch nicht gut hören kann, dass es verzweifelt, ängstlich, betroffen ist. Manchmal ist es gut, sich selbst von außen zu sehen, um beim nächsten Mal anders reagieren zu können.
Ein gute Hilfe ist zum Beispiel der Grundsatz aus den Kloeters-Briefen: Achte auf den Gesichtsausdruck deines Kindes! Das hilft sehr, sich wieder mit dem Kind zu verbinden.