Kochbox – Klecks Kartoffelbrei als Mittagessen

Dies ist ein Gastbeitrag unserer Userin Kaonashi.

Ich bin alleinerziehend und verdiene nicht genug für meine Kinder und mich. Also bekommen wir Wohngeld. Der Bezug von Wohngeld ergibt für meine drei noch hier zu Hause lebenden Kinder einen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Wenn nicht gerade Corona ist, bekommen meine Kinder darüber ihr Mittagessen für wenig Geld in Schule und Kita. Das ist eine große finanzielle Erleichterung.

Nun aber ist seit zehn Wochen Corona und sämtliche Einrichtungen sind dicht. Die Kinder essen zu Hause. In all den Wochen habe ich drei Mahlzeiten plus Zwischenmahlzeiten pro Tag für sie eingekauft, gekocht und bezahlt. Selbstverständlich! Und nach jahrelangem Bezug von Transferleistungen trotz Arbeit, auch ALGII war dabei, bin ich geübt in günstig und vollwertig kochen. Dennoch hat es in dieser Coronazeit unser Budget gesprengt.

Und dann taucht da plötzlich diese Idee der Kochbox auf. Unsere Stadt hat sich ausgedacht, dass sie einen Caterer beauftragen, BuT-berechtigten Kindern sogenannte Kochboxen zusammenzustellen. Gefüllt mit Lebensmitteln für die Mittagessen, die die jeweiligen Kids sonst in ihren Einrichtungen bekommen hätten. Zum zu Hause Kochen. Plus Rezepten.

Ich gebe zu, ich bin skeptisch. Wir mögen hier viel, aber nicht alles. Wir haben über die Jahre unsere favorisierten Familienessen herausgearbeitet. Ich koche gerne, aber neue Sachen stressen mich, wenn ich nicht in Ruhe ausprobieren kann. Und Ruhe und alleinerziehend und Corona… nunja. Letztlich überwiegt meine Neugier und die Hoffnung, dass wir eben doch von dem Angebot profitieren und ein paar Euros sparen. Und ich möchte nicht als undankbar gelten. Dem ganzen eine Chance geben. Denn dass die Stadt sich eine Lösung ausgedacht hat – nach vielen Wochen – ist ja gut. Oder?

Also bestelle ich im digitalen System des Caterers. Kochbox für eine Woche für drei Kinder. Vegetarisch. BuT-Nummern eingeben. Abschicken. Bestätigungsmail.
Am Sonntag drauf bekomme ich um elf eine SMS: „Ihre Kochbox steht jetzt vor Ihrer Haustür.“ Ich hole den schlichten Karton hoch in die Wohnung. Und freue mich irgendwie, dass da an uns gedacht wird.

Und öffne.

Und bin sprachlos. Traurig. Beschämt. Irritiert.

Ich finde ein Sammelsurium aus… ja, was eigentlich? Trostlosigkeit? So viel Plastik, diese geviertelten Zucchini, die vier Minichampignons, die riesige Margarine und dieses diffuse Überangebot an Gewürzen.

Mein erster Impuls ist: Ich möchte das vor den Kindern verstecken. Sie sollen das nicht sehen und fühlen müssen. Dann aber kommt meine Wut und meine langjährige Erfahrung mit diesem Sozialleistungssystem in Deutschland spielt da mit rein. „Armenspeisung. Sei dankbar! Besser als nix! Klein gehalten!“, spukt es durch meinen Kopf. Meine 14-Jährige kommentiert dann amüsiert: „Lol!“

Und ja. Vielleicht fasst das meine Gefühle ganz gut zusammen.

Da in der belieferten Woche ein Feiertag liegt, werden laut beiliegenden Rezepten Lebensmittel für vier Mittagessen geliefert:

– Tag 1: Kartoffelbrei

– Tag 2: Kartoffeln mit Butter und Salz

– Tag 3: Gemüsesuppe mit den getrockneten Erbsen, Spinat und dem anderen Gemüse

– Tag 4: Reis mit Tomatenmatsche

Zum Nachtisch jeweils ein Obst. Moment mal! 2 Bananen, 2 Äpfel, 2 Orangen, 2 Birnen. Für 3 Kinder? Wie sich später herausstellt, wurde meine Neunjährige nicht beliefert. Fehler im Computersystem. Das erfahre ich erst, als ich Tage später mit der Stadt telefoniere um zu fragen, ob sie schon Rückmeldungen zu den Kochboxen bekommen haben. Nein, bisher nicht. Sie seien sehr zufrieden mit den Angebotsfotos gewesen, die der Caterer ihnen vorgelegt hätte, weist die Dame meine eher zurückhaltende Feststellung zurück, dass ich damit niemals meine Kinder satt kriegen würde – auch nicht, wenn ich das durchgerutschte dritte Kind rausrechne.

Ich habe so viele Fragen.

Und stelle sie nicht.

Sozialleistungsberechtigte Kinder sind dem Staat so gerade eben einen Klecks Kartoffelbrei wert. Und viel liebloses Plastik. Nicht nur wenn Pandemie ist.

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