Ein Beitrag von Henrietta
Wenn die Kinder in dieser Tobelaune sind, in der sie nicht wirklich erreichbar sind, bis was passiert (meistens tut eine/r sich weh).
Wenn sie etwas zerdeppern, was mir wichtig war.
Wenn ich nur noch genervt bin von Unfrieden und Streit.
Dann würde ich sie manchmal richtig gerne bestrafen.
Anschreien, schimpfen, Kommunikation verweigern, als „Konsequenzen“ getarnte Strafen wie Computerentzug verhängen – die ganze Palette. Aber ich weiß: Wenn ich das mache, dann geht es uns allen schlechter. Ich sorge dann nicht nur dafür, dass die Kinder sich elend fühlen, ich selber fühle mich dann auch elend. Ich weiß, dass ich es bereuen werde, wenn ich irgendeinen Gegenstand, eine wichtige Notiz, ein aufgeräumtes Regal usw. wichtiger nehme als die Seele meines Sohnes, meiner Tochter, die selbst erschrocken und betroffen sind, weil sie mir etwas kaputt gemacht haben. Ich weiß, dass ich es bereuen werde, wenn ich ihre Versuche, es wieder gut zu machen, nicht annehme. Ich weiß, dass das nichts bringt, nichts besser macht, nicht dafür sorgt, dass es nächstes Mal besser laufen wird. Im Gegenteil. Die Kinder werden vielleicht mehr Angst vor meiner Reaktion haben, vielleicht versuchen, zu verheimlichen, wenn sie etwas angestellt haben. Vielleicht werden sie auch ein dickeres Fell bekommen und es an sich abprallen lassen, wenn ich sie das nächste oder über-übernächste Mal anschreie, schimpfe, Kommunikation verweigere, als „Konsequenzen“ getarnte Strafen verhänge.
Trotzdem gelingt es mir nicht immer. (Wobei, anschreien und als „Konsequenzen“ getarnte Strafen sind nicht meine Baustelle. Schimpfen und Kommunikation verweigern schon eher.) Wie gut, dass ich als Mutter auch immer weiter dazulernen darf, und die Kinder auch:
Dass sie ihre Erfahrungen machen dürfen, auch mit dieser Tobelaune, bei der ich schon weiß, dass am Ende eine/r heult.
Dass wir gemeinsam versuchen, gut auf das achtzugeben, was den anderen wichtig ist.
Dass wir uns um friedliches Zusammenleben immer bemühen müssen, und dass die Eltern verantwortlich sind für die Stimmung zu Hause – soweit es in ihrer Macht steht.Manchmal hilft mir gegen den Impuls, sie bestrafen zu wollen, dass ich mir genau das klarmache, was ich eigentlich weiß.
Manchmal hilft mir, erst einmal den Ort des Geschehens zu verlassen und tief durchzuatmen, oder ein Stück Schokolade zu essen (das geheimste Versteck im Haushalt beherbergt meine Notfallpralinen).
Manchmal hilft mir, eine Freundin anzurufen und mir eine Runde Verständnis abzuholen.Nicht immer ist dann gleich alles wieder gut. Manche Enttäuschung über das Verhalten eines meiner Kinder sitzt erstmal tief. Manche Wut braucht länger, bis sie verraucht ist. Aber letztlich ist es meine Familie, sind es meine Kinder, leben wir zusammen und ich weiß: Ich will nicht strafen. Ich möchte mit meinen Kindern gut zusammenleben und unsere Beziehung genießen. Das Vertrauen, die Vertrautheit, auch das Aufgehobensein mit allen Fehlern.
Am schönsten ist es natürlich, wenn es länger keine Situationen gibt, in denen ich meinen Impuls nach Strafe erstmal bearbeiten muss. Aber schön ist – im Nachhinein – auch, wenn das gelungen ist und ich weiß: Ja, so möchte ich sein. Ich kann nicht jeden Unfrieden und Streit in unserer Familie vermeiden, und meinen Kindern kann ich nicht ersparen, über ihr eigenes Verhalten erschrocken und traurig zu sein. Aber ich kann uns allen helfen, gut miteinander umzugehen, auch nach Fehlern und Gemeinheiten: Weil wir eine Familie sind.

Mehr zu Strafen und warum sie nicht funktionieren findest du hier: Warum Strafen nicht funktionieren und hier: Alternativen zur Bestrafung

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