Als ich mit unserem ersten Kind schwanger war, habe ich im Internet die Rabeneltern entdeckt. Während ich da manches eher schräg fand, hat mir die Idee, dass Babys am besten getragen werden, sofort eingeleuchtet. Das war 2005 – „damals“ habe ich nur selten tragende Eltern „in echt“ gesehen, und wenn, dann in Tragen wie dem BabyBjörn, gerne auch mit Gesicht nach vorn. Einmal habe ich eine Mutter im Zug beobachtet, wie sie das Tragetuch umband und fand das echt praktisch, denn es war ein EC, wo das Ein- und Aussteigen mit Kinderwagen mühsam gewesen wäre.
Also habe ich vor der Geburt zwei Tragetücher gekauft, ein mittellanges und ein langes, während ich beim Stichwort „Ergo“ noch skeptisch war. „Damals“ waren die beiliegenden Bindeanleitungen noch recht kryptisch. Das stellten wir dann nach der Geburt fest: Wie setzt man die Anweisung „lassen Sie das Baby von oben ins Tuch gleiten“ um, wenn Eltern und Baby ungeübt sind und das Baby zappelt? Das einzige, was wir hinkriegten, ohne dass das Baby brüllte und alles irgendwie schief saß, war die Wiege-Bindeweise. Zum Glück war kurz danach wieder ein Tragetuch-Binde-Kurs im Geburtshaus, und es war auch noch ein Platz frei. Ab da stand dem Tragen nichts mehr im Wege.
Immer wieder ernteten wir puren Unglauben, wenn unser Umfeld mitbekam, dass wir keinen Kinderwagen besaßen. Aber Grundsatzdiskussionen blieben uns erspart, denn wir wohnten damals am Hang, zu unserem Haus führten wahlweise 25 Stufen runter oder 15 Stufen rauf, und es gab keine Schräge. Das hat dann doch allen eingeleuchtet, dass ein Kinderwagen da keine gute Idee gewesen wäre. Die nächste Wohnung hatte dann zuwenig Abstellfläche im Flur, und irgendwann fragte auch keiner mehr: Bei uns war das eben so.
Beim zweiten Kind habe ich noch den Sling für mich bzw. für uns entdeckt, und habe das mittellange Tuch, das ohnehin fast nie zum Einsatz gekommen war, zu einem solchen umgenäht, ab da war es dann auch in täglichem Gebrauch. Das dritte Kind trage ich seit dem Kleinkindalter meistens einfach so auf dem Arm oder in der Tragehilfe auf dem Rücken. Mit vier, fünf Jahren war jeweils die Zeit für die Tragehilfe endgültig vorbei, dann fanden die Kinder das unbequem:
Heute sehe ich viele Eltern, die ihre Babys und Kleinkinder tragen, mit Tragehilfen in allen möglichen Designs. Da ist unser abgeschrappelter Ergo schon ein echter Oldie im Vergleich… Heute werden wir auch nicht mehr ungläubig angeguckt mit Kind auf dem Rücken. Nur, wenn das Kind sich wieder einmal weit weit zurücklehnt – dann fragen Leute schonmal besorgt, ob es da wohl nicht rausfallen würde. Ja, ab und an wäre ein Kinderwagen praktisch gewesen.
Beim Zahnarzt, im Café – aber die Gelegenheiten waren, auf die Jahre gerechnet, doch eher selten. Manchmal haben wir kurz überlegt, ob ein Buggy wohl praktisch wäre, aber es blieb bei der Überlegung. So wichtig war es dann doch nicht, und wir waren zu sehr daran gewöhnt, nicht darauf zu achten, ob ein Gelände mit Wagen zugänglich wäre. Wir haben Kinderwagen oder Buggy nie großartig vermisst. Wir haben dafür ein untrügliches Zeichen gelernt, Trageeltern auch ohne Kind zu erkennen: Wenn sie bei Kindergeschrei anfingen, auf und ab zu wippen. Das ging uns auch lange so, aber es geht auch wieder weg. Andere Nebenwirkungen: Wir brauchten in der Tragezeit keinen Sport, um Rückenproblemem vorzubeugen. Unsere Kinder brauchten jeweils Schals oder andere Tücher, um ihre Stofftiere umzubinden. Und im Kindergarten steckten andere Kinder ihre Puppen vorne in die Jacke und sagten dazu „ich bin die Mama von Henrietta-Sohn“.
Für uns war das Tragen so selbstverständlich wie das Kind anzuziehen – anfangs ist es frickelig, dann kriegt man Übung, denkt irgendwann nicht mehr drüber nach, weil es zum Selbstverständlichen gehört, und eines Tages stellt man fest, dass man es nur noch sehr selten tut. Noch liegen die Tragetücher im Schrank, aber irgendwann werde ich eine Hängematte daraus machen…