Erfahrungen und Rabeneltern-Tipps: Tragen

Als ich mit unserem ersten Kind schwanger war, habe ich im Internet die Rabeneltern entdeckt. Während ich da manches eher schräg fand, hat mir die Idee, dass Babys am besten getragen werden, sofort eingeleuchtet. Das war 2005 – „damals“ habe ich nur selten tragende Eltern „in echt“ gesehen, und wenn, dann in Tragen wie dem BabyBjörn, gerne auch mit Gesicht nach vorn. Einmal habe ich eine Mutter im Zug beobachtet, wie sie das Tragetuch umband und fand das echt praktisch, denn es war ein EC, wo das Ein- und Aussteigen mit Kinderwagen mühsam gewesen wäre.

Also habe ich vor der Geburt zwei Tragetücher gekauft, ein mittellanges und ein langes, während ich beim Stichwort „Ergo“ noch skeptisch war. „Damals“ waren die beiliegenden Bindeanleitungen noch recht kryptisch. Das stellten wir dann nach der Geburt fest: Wie setzt man die Anweisung „lassen Sie das Baby von oben ins Tuch gleiten“ um, wenn Eltern und Baby ungeübt sind und das Baby zappelt? Das einzige, was wir hinkriegten, ohne dass das Baby brüllte und alles irgendwie schief saß, war die Wiege-Bindeweise. Zum Glück war kurz danach wieder ein Tragetuch-Binde-Kurs im Geburtshaus, und es war auch noch ein Platz frei. Ab da stand dem Tragen nichts mehr im Wege.

Immer wieder ernteten wir puren Unglauben, wenn unser Umfeld mitbekam, dass wir keinen Kinderwagen besaßen. Aber Grundsatzdiskussionen blieben uns erspart, denn wir wohnten damals am Hang, zu unserem Haus führten wahlweise 25 Stufen runter oder 15 Stufen rauf, und es gab keine Schräge. Das hat dann doch allen eingeleuchtet, dass ein Kinderwagen da keine gute Idee gewesen wäre. Die nächste Wohnung hatte dann zuwenig Abstellfläche im Flur, und irgendwann fragte auch keiner mehr: Bei uns war das eben so.

Beim zweiten Kind habe ich noch den Sling für mich bzw. für uns entdeckt, und habe das mittellange Tuch, das ohnehin fast nie zum Einsatz gekommen war, zu einem solchen umgenäht, ab da war es dann auch in  täglichem Gebrauch. Das dritte Kind trage ich seit dem Kleinkindalter meistens einfach so auf dem Arm oder in der Tragehilfe auf dem Rücken. Mit vier, fünf Jahren war jeweils die Zeit für die Tragehilfe endgültig vorbei, dann fanden die Kinder das unbequem:

Heute sehe ich viele Eltern, die ihre Babys und Kleinkinder tragen, mit Tragehilfen in allen möglichen Designs. Da ist unser abgeschrappelter Ergo schon ein echter Oldie im Vergleich… Heute werden wir auch nicht mehr ungläubig angeguckt mit Kind auf dem Rücken. Nur, wenn das Kind sich wieder einmal weit weit zurücklehnt – dann fragen Leute schonmal besorgt, ob es da wohl nicht rausfallen würde. Ja, ab und an wäre ein Kinderwagen praktisch gewesen.

Beim Zahnarzt, im Café – aber die Gelegenheiten waren, auf die Jahre gerechnet, doch eher selten. Manchmal haben wir kurz überlegt, ob ein Buggy wohl praktisch wäre, aber es blieb bei der Überlegung. So wichtig war es dann doch nicht, und wir waren zu sehr daran gewöhnt, nicht darauf zu achten, ob ein Gelände mit Wagen zugänglich wäre. Wir haben Kinderwagen oder Buggy nie großartig vermisst. Wir haben dafür ein untrügliches Zeichen gelernt, Trageeltern auch ohne Kind zu erkennen: Wenn sie bei Kindergeschrei anfingen, auf und ab zu wippen. Das ging uns auch lange so, aber es geht auch wieder weg. Andere Nebenwirkungen: Wir brauchten in der Tragezeit keinen Sport, um Rückenproblemem vorzubeugen. Unsere Kinder brauchten jeweils Schals oder andere Tücher, um ihre Stofftiere umzubinden. Und im Kindergarten steckten andere Kinder ihre Puppen vorne in die Jacke und sagten dazu „ich bin die Mama von Henrietta-Sohn“.

Für uns war das Tragen so selbstverständlich wie das Kind anzuziehen – anfangs ist es frickelig, dann kriegt man Übung, denkt irgendwann nicht mehr drüber nach, weil es zum Selbstverständlichen gehört, und eines Tages stellt man fest, dass man es nur noch sehr selten tut. Noch liegen die Tragetücher im Schrank, aber irgendwann werde ich eine Hängematte daraus machen…

Warnung! Babys bitte NICHT mit dem Gesicht nach vorne im Tragesack oder Tuch tragen!

Man sieht es leider sehr oft: Babys in Bauchtragen, manchmal auch in der Kreuztrage, die mit dem Gesicht nach vorne sitzen, die Beine schlaff nach unten baumelnd. Gewiss meinen es die Eltern nur gut, aber wir raten von dieser Trageweise entschieden ab!

Der Rücken des Babys findet so nicht genug Halt und seine Wirbelsäule wird gestaucht. Die physiologisch korrekte Körperhaltung mit rundem Rücken und in Hockstellung angespreizten Beinen, die auch für die Hüftentwicklung so wichtig ist, wird nicht erreicht. Bei Jungen besteht zudem noch die Gefahr, dass die Hoden abgedrückt werden! Außerdem ist das Baby so allen auf es einstürmenden Reizen ohne Rückzugsmöglichkeit ausgeliefert.

Wenn Du den Eindruck hast, Dein Baby möchte mehr sehen und es hat die nötige Reife, so benutze lieber den Hüftsitz.


Du möchtest diese Informationen gern an andere Eltern oder interessierte Personen weitergeben? Hier gibt es einen Flyer zum downloaden, ausdrucken und verteilen, der alle Informationen zum Nach-vorn-Tragen sehr gut darstellt:

Flyer „Warum Babys nicht mit Blick nach vorn tragen?“ in Farbe (pdf, 363 kb)

Flyer „Warum Babys nicht mit Blick nach vorn tragen?“ schwarz-weiß (pdf, 923 kb)

(mit freundlicher Genehmigung von Antje Mattig für Rabeneltern.org, August 2005/März 2007)

Schnittmuster für eine Traghilfe ähnlich des „Mei Tai“

Übersichtsbogen und Schnittteile 1-2

Schnittteile 3-5

Schnittteile 6-8

So kann ich in Kürze unseren Sling beschreiben. Ein Sling (zu Deutsch: Schlinge) muss nicht gebunden werden, weil er mit Hilfe zweier Ringe einfach festgezurrt wird. Dabei ist es möglich, obere oder untere Kanten unabhängig von einander nachzuziehen. Wir haben einen MayaWrap. Er ist ungepolstert, hat ein buntes Muster und der Preis (ca. 40 €) war auch akzeptabel.
Zu unserem Sling kamen wir, als unser drittes Kind schon fast 18 Monate alt war und immer noch viel getragen werden wollte. Wir hatten zwar ein kurzes Tragetuch, womit ich Felix viel auf der Hüfte getragen hatte, aber das ständige Nachbinden hat mich genervt. Dazu kam, dass ich schwanger war und etwas brauchte, was ich später für beide Kinder benutzen könnte, ohne es jedes Mal neu zu binden. Kurz nach Vanessas Geburt konnte man mich oft sehen, wie ich in Richtung Supermarkt mit Vanessa im Sling und Felix im Kinderwagen gegangen bin, aber auf dem Heimweg waren die Kinder schon „vertauscht“.
Einen Sling kann man quasi ab der Geburt benutzen, er ermöglicht folgende Trageweisen:
*Wiege (dabei ist sogar Stillen möglich)
*vor dem Bauch mit dem Gesicht zum Träger
*auf der Hüfte
*auf dem Rücken
Als unsere Kleine geboren wurde, habe ich sie ab der 5. Lebenswoche regelmäßig im Sling getragen. Zuerst in der Wiege, aber da sie es nicht mochte, wenn ihr Gesicht verdeckt war, habe ich sie relativ schnell vorne getragen. Dabei war es möglich sie mit dem Sling so zu stützen, dass eine korrekte Haltung (runder Rücken, Anhockspreizhaltung) gewährleistet und der Kopf gut gestützt war. Etwas später (mit ca. 5 Mon.) habe ich sie auch ganz oft auf der Hüfte getragen. Besonders bei kurzen Ausflügen und beim Einkaufen war der Sling wirklich unentbehrlich für mich, oder wenn ich nur schnell aus dem Auto zur Post oder zum Bäcker wollte. Das ging echt wunderbar: Kind aus dem Auto nehmen, in den Sling heben, nachziehen, die anderen Kinder an der Hand nehmen… Das einzige, was ich mich nicht getraut habe, das Kind im Sling auf dem Rücken zu tragen. Aber ich denke, hätten wir nicht unsere Rückentrage gekauft, hätte ich den Sling bestimmt auch auf dem Rücken versucht.

Margarita, Februar 2006

Schon vor der Geburt stand für uns fest, dass unser Kind auch getragen werden sollte. Also machten wir uns nach der Lektüre einschlägiger Testhefte auf in den nächsten Babyladen. Meinem Mann leuchtete das Prinzip eines Glückskäfers mehr ein. – und da das Tragen nicht nur an mir hängen sollte, kauften wir diesen Tragesack.
Unserer Tochter gefiel unsere erste Tour auf jeden Fall gut. Unter meiner Jacke bekam sie nichts mit vom Novemberwetter.
Vor allem im Januar 2002 war das Tragen praktisch: Der Winter brachte Unmengen von Schnee im Thüringer Wald: An Kinderwagenschieben war gar nicht zu denken! Auch das Wandern war mit Tragesack kein Problem.
Nur meine Schwiegermutter war enttäuscht: Hatte sie sich Ostern doch so darauf gefreut, mit dem Kinderwagen stolz durch die Gegend zu schieben! Aber da unser Auto ganz klein ist, konnten wir den Kinderwagen gar nicht mitnehmen. Tragen macht uns so sehr unabhängig!
So ca. mit 5 Monaten drückten mich die Gurte aber sehr, da unsere Tochter nun doch nicht mehr so leicht war. Eine Einkaufstour von 1,5 Stunden wurde schon zur Qual, und ich verspannte total. Im Internet schwärmten so viele Frauen von den Vorteilen des Tragetuchs, so dass ich mir doch noch eines zulegte. Am Anfang hatte ich noch die Befürchtung, dass sich die Investition nicht mehr lohnen würde. Aber nichts da: Sie liebte das Tragetuch genauso wie ihre Mutter. Zunächst benutzte ich meist die Kreuztrage, vor allem weil ich die Kleine da rein- und wieder rausnehmen konnte, ohne das Tuch neu zu knoten. Später kam dann die Wickelkreuztrage hinzu, die doch bequemer ist und noch besser abstützt.
Mein Mann hat sich nach anfänglichem Zögern auch zum Tragetuchfan entwickelt: Der Glückskäfer ist nun verliehen. Erst musste ich ihm das Tuch noch knoten, aber er kann das jetzt auch allein.
Seit Kurzem kommt unsere Tochter auch mal in den Kreuzrucksack – eine Art Wickelkreuztrage auf dem Rücken. Aber noch bin ich damit ungeübt, so dass ich sie fast nur anwende, wenn mir jemand hilft. Vor allem die dicken Winterjacken sind dabei hinderlich.
Praktisch ist das Tragetuch auch beim Zugfahren: Kind in der Kreuztrage, Trolley hinterhergezogen und auf geht’s! Nach Wunsch nehme ich sie raus, oder sie macht ihr Nickerchen. Mit Kinderwagen könnte ich mir die Fahrt zu meinen Eltern (viermal umsteigen!) nicht vorstellen.
Nachtrag September 2010:
Im Juli 2004 haben wir eine zweite Tochter bekommen. Auch sie war ein echter Tragling. Unser einziger Versuch mit dem Kinderwagen – ich fühlte mich krank und wollte nicht mit Kind stürzen – endete als Fiasko: Die Jüngere wollte einfach nicht in dem Ding liegen.
Sie wanderte viel schneller auf den Rücken als ihre größere Schwester. Benutzt habe ich auch den Ergo Baby Carrier – vor allem auf den Rücken. Aber auch mit dem Tragetuch habe ich sie viel auf dem Rücken getragen. Laufen lernte sie sogar schneller als die große Schwester.
Die Tragezeit ist in unserer Familie nun vorbei, aber ich erinnere mich gerne an sie zurück.

Dieses Mal hatte ich mich mit dem Tragen von Babies schon in der Schwangerschaft intensiv beschäftigt. Meinen ersten Sohn, Alexander, habe ich leider nicht so viel getragen, wie ich es heute gerne getan hätte.
Nun war ich also im Besitz von einem langen, einem mittleren und einem kurzen Tragetuch und wartete nur auf mein Baby. 🙂
Die ersten Wochen trug ich Benjamin nur in der Wickelkreuztrage, weil die den Rücken am besten abstützt. Er schlief immer seelenruhig darin und ich finde es auch heute noch so schön, ihn im Tragetuch schlafen zu sehen. Er wirkt so glücklich, ausgeglichen und zufrieden.
Doch als mein Mann wieder arbeiten gehen musste, war das Tragen vor dem Bauch sehr unbequem. Ich hatte die Hände nicht so recht für die Hausarbeit frei. Doch was tun?
Zum Glück traf ich eine Bekannte mit ihrem kleinen Sohn, den sie schon einige Zeit in der Rückentrage trug. Sie wollte mir die Bindeweise zeigen. Ich sollte mein Baby auf den Rücken schwingen, was mir zuerst doch sehr suspekt erschien. Doch diese Bindeweise ist einfach zu binden, die Anleitung dazu gibt es hier.
Seitdem Benjamin also sieben Wochen alt war, trage ich ihn zu Hause nur noch auf dem Rücken. Er kann dort viel sehen und ich habe doch die Hände frei für die Hausarabeit und meinen Großen.
Draussen trage ich Benjamin in der Kreuztrage, was wirklich toll ist. Ich muss mir beim Einkaufen keine Gedanken um zu enge Gänge, geschlossene Türen oder Rolltreppen machen. Ich habe mein Kind einfach immer bei mir.

Janina, Februar 2004

Der Mensch ist ein Tragling. Das hat Mathis uns in beeindruckender Weise bestätigt – und tut es eigentlich immer noch…

Die ersten paar Wochen hat er auch im Kinderwagen gelegen, aber dafür hätten wir uns das teure Ding nun wirklich nicht kaufen müssen. Als Mathis zwei Monate alt war, haben wir einen Urlaub in Südtirol gemacht und dafür einen Baby-Tragegurt angeschafft. Ich weiß wirklich nicht, ob ein so kleines Kind schon die Alternativen Tragegurt und Kinderwagen durchschauen kann oder ob es Zufall war, aber nach den ersten „getragenen“ Spaziergängen war der Kinderwagen abgemeldet. Mathis hat jedes Mal geschrien wie am Spieß, wenn man ihn damit herumfahren wollte, und sobald er auf dem Arm war, hörte das Weinen schlagartig auf. Oma und wohlmeinende Freunde äußerten natürlich Bedenken. Dem Kind fehle doch offensichtlich nichts, und man gewöhne ihm nur daran, dass er immer herausgenommen werde. Zur selben Zeit hatte ich Liedloffs Plädoyer für das Tragen gelesen („Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“, siehe Bücherliste) und war anderer Meinung. Natürlich fehlte Mathis ganz offensichtlich etwas – auch der Körperkontakt gehört zu den Grundbedürfnissen. Selbst mein Mann unternahm irgendwann einen Versuch nach dem Motto „er wird schon wieder aufhören zu weinen“. Tat er aber nicht, und die Elternherzen schrieen mit.

Also wurde Mathis von da an durch die Welt geschleppt. Kommentare wie „Aber Du kannst ihn doch nicht immer tragen“ widerlege ich (fast) bis heute – mit 14 Kilo ist er allerdings mittlerweile wirklich sehr schwer… Damals aber habe ich täglich ausgiebige Hundespaziergänge mit Tragegurt und etwas später mit dem mir besser geeignet erscheinenden Tragetuch gemacht. Und auch die Wohnung hat Mathis von meinem Arm aus erforscht. Die zuständigen Muskeln wuchsen wohl einfach mit dem Kind mit. Natürlich tat mir manchmal der Rücken weh, aber im großen und ganzen waren wir beide mit der Lösung sehr glücklich. Man kann natürlich nie sagen, wie sich ein Kind unter anderen Umständen entwickelt hätte und ob seine Ausgeglichenheit und sein Selbstbewußtsein teilweise auf das Tragen zurückzuführen sind. Was ich für sicher halte, ist, dass unsere intensive Beziehung zum Teil damit zusammenhängt. Mathis ist sehr anlehnungsbedürftig, kommt oft zum Schmusen und bringt seine Zuneigung zu uns gern körperlich zum Ausdruck.
Ganz von irgendwelchen Konsequenzen abgesehen hatte ich gar keine ander Wahl, denn Mathis blieb standhaft. Auch der Sportwagen, der ja den meisten Kindern dank der Sitzposition gut gefällt, wurde von ihm rundweg abgelehnt, und seinen Willen brechen wollte ich nach wie vor nicht. Stattdessen schafften wir also irgendwann eine Rückentrage an.

Mein Mann hat neulich gefragt, ob wir den Wagen nicht einfach verkaufen sollen. Selbst wenn wir noch ein zweites Kind bekämen, steht für uns beide schon fest, dass das Tragen einfach dazu gehört. Wir behalten ihn erstmal, vielleicht bietet er ja doch gewisse Vorteile. Aber Mathis verbringt immer noch einen Teil des Tages auf meinem Arm, und ich genieße es!

Juli, Frühjahr 2004

Mit dem Tragen habe ich gute Erfahrungen gemacht: Es hat das Kind, mich und sogar den eifersüchtigen großen Bruder zufrieden gestellt, so paradox das klingt.

Als ich mit meinem ersten Sohn schwanger war, hatte ich neben vielen anderen Dingen eine Babytrage von meiner Schwester geerbt. Aus heutiger Sicht betrachte ich das Teil mit Grausen, weil es weder dem Baby eine korrekte Position ermöglichte noch dem Tragenden das Tragen erleichterte. Für ein Neugeborenes war diese Trage ohnehin völlig ungeeignet. (Einen Glückskäfersack hatte ich in Betracht gezogen, wollte dann aber doch nicht so viel Geld ausgeben.) Ohne viel darüber nachgedacht oder mich mit dem Tragen, seinen Grundlagen, Vorteilen und der praktischen Handhabung beschäftigt zu haben, plante ich doch, mein Baby sobald als möglich öfter mal zu tragen. Meine Schwester meinte, so ab 2 Monaten sei dies möglich. Auf den Kinderwagen wollte ich dabei allerdings nicht verzichten, dachte mir das Tragen eher so als angenehme Abwechslung und praktische Hilfe auf kurzen Wegen.

Als Gabriel auf die Welt kam, rückte das Tragen gedanklich erstmal in weite Ferne. Er hatte Hüftdysplasie und musste die nächsten 10 Wochen rund um die Uhr in Bandagen bzw. Schienen fixiert verbringen. In dieser Froschstellung konnte ich ihn noch nicht einmal in einen Pucksack hineinbekommen, geschweige denn in diese Babytrage. Als er dann endlich „befreit“ war, hat es noch ein Weilchen gedauert, bis ich mich der Trage erinnert habe. Bis dahin war Gabriel ein echtes Kinderwagenkind geworden… Ich habe die Trage aber doch immer wieder mal benutzt, besonders gerne zum Einkaufen (habe dann immer einen Rollwagen mitgenommen), weil ich mir so das Gekurve durch die engen Gänge sparen konnte. Mit 9 Monaten war Gabriel dann aber zu schwer geworden, zumal die Trage nicht gerade rückenschonend war.
Als mein zweiter Sohn unterwegs war, wusste ich schon mehr übers Tragen und hatte vor allem eine Frau kennengelernt, die im ersten Lebensjahr ihres Kindes gar keinen Kinderwagen besessen hatte. Sie hatte mir angeboten, mir ihr Tragetuch zu leihen. Kurz vor der Geburt hatte ich dann doch einen Glückskäfersack (die neue Variante mit Schnallen) gekauft, weil ich so schnell wie möglich mit dem Tragen anfangen wollte und mir nicht zutraute, das Binden schnell zu erlernen. Ivo war etwa zwei Wochen alt, als ich ihn das erste Mal trug – und wir waren beide sehr glücklich damit. Nur mit dem Sack war ich nicht so glücklich, denn eine Puppe im Laden ist eben nicht dasselbe wie ein fast 4 kg schweres Baby. Ich musste feststellen, dass die Träger sehr eng an meinem Hals verliefen und ich den daraus resultierenden Druck nur schwer ertragen konnte. Außerdem bekam ich nach spätestens einer Stunde Tragen Rückenschmerzen. Ich glaube, Ivo war fünf Wochen alt, als ich mich dann doch dazu entschloss, das Tuch meiner Bekannten auszuleihen. Sie hat mir die Kreuztrage vorgemacht und nach zwei, dreimal Üben hatte ich das Binden raus. Von da an blieb der Kinderwagen vor der Haustür stehen… Inzwischen hatte ich auch Zugang zum Internet und habe mir dort Informationen beschafft und sehr bald auch ein eigenes, langes Tuch von der bekannten Marke bestellt, weil ich unbedingt die Wickelkreuztrage ausprobieren wollte, die für die ganz Kleinen doch schonender ist. Und auch ich selbst habe deutlich die Entlastung durch die dreifache Tuchführung bemerkt. Von da an bis er 11 Monate alt war, habe ich Ivo fast ausschließlich getragen. Damals musste ich wegen einer Knieverletzung das Tragen, was Dauer und Häufigkeit betrifft, erheblich einschränken.

Nach einigen Wochen hatte ich mir über das Internet noch ein gebrauchtes, aber neuwertiges Tuch besorgt, das neutral im Design war (und einfach zum Wechseln), und als Ivo 7-8 Monate alt war, kaufte ich noch zwei sogenannte Babyslings, also fertig genähte, an der Ober- und Unterkante gepolsterte Tücher mit einer Schnalle, die geradezu ideal für den Hüftsitz sind. (Umhängen, Kind reinsetzen, Tuchende anziehen, fertig). Da kam ich mir geradezu tuchsüchtig vor! Einen der Slings habe ich übrigens auch heute noch (Ivo ist jetzt 2 Jahre alt) immer im Kinderwagen dabei. Wenn er mal müde und quengelig ist, trage ich ihn darin streckenweise, wenn wir Hindernisse wie Treppen überwinden müssen, setze ich ihn ins Tuch und kann dann den Wagen einfach hinunterholpern lassen oder hinaufziehen, wenn ich ihn nicht allein im Wagen sitzen lassen will, während ich beim Busfahrer die Fahrkarte kaufe, kommt er ins Tuch… Vor kurzem, als er die Grippe hatte und es ihm sehr schlecht ging, habe ich sogar mein langes Tuch wieder hervorgeholt und ihn wieder in der Wickelkreuztrage getragen. Das war die einzige Möglichkeit, die unbedingt erforderlichen Wege zu schaffen, weil er sich im Wachzustand nicht eine Minute von meinem Körper trennen wollte.

Die Zeit des ständigen Tragens war eine Zeit des Wohlgefühls für Mutter und Kind.
Es war ein so schönes Gefühl, mit meinem Baby so eng verbunden zu sein! In der ersten Zeit schlief es natürlich die meiste Zeit beim Tragen, völlig geborgen und entspannt, und ich liebte es, in sein schlafendes Gesichtchen zu schauen und immer, wenn ich es wollte, seinen zarten Duft zu riechen. Und ich wollte oft! Es gab mir auch die Möglichkeit, mit ihm zu schmusen, ohne seinen in heftiger Eifersucht entbrannten Bruder noch weiter zu verletzen. Tatsächlich vergaß Gabriel die Existenz seines Bruders, sobald dieser im Tragetuch war, völlig – und mir ging es manchmal genauso… Wir führten unsere Gespräche, z.B. auf dem Weg zum Kindergarten, und ganz plötzlich erinnerte ich mich an das Baby, das ich mit mir herumtrug! Ich konnte ihm die Nähe geben, die es brauchte, und trotzdem ganz für seinen grossen Bruder da sein. Weil ich lange Zeit die Wickelkreuztrage verwandte, überlegte ich, ob Ivo sich durch das Tragen nicht in seiner Beweglichkeit zu sehr eingeschränkt fühlte – aber er ließ sich immer gern tragen, war es wohl auch einfach so gewöhnt. Es schmerzte mich, als ich das Tragen wegen meiner Verletzung schließlich einschränken musste, und er für lange Strecken auch einfach zu schwer wurde. Zwar war ich eine Zeitlang entschlossen, auch die Rückentrageweisen zu erlernen, die rückenschonender sind, aber unsere Versuche waren nicht von Erfolg gekrönt und ich wohl auch einfach nicht konsequent genug beim Probieren. Immerhin war Ivo 11 Monate alt, als die Zeit des nahezu ausschließlichen Tragens zu Ende ging, und ich glaube, dass dieser Zeitraum die wichtigste Tragezeit ist. Für ihn schien es auch in Ordnung zu sein, nun auf den Sportwagen umzusteigen.

Ich bin übrigens niemals angegangen oder scheel angesehen worden wegen des Tragens. Viele waren begeistert („so gut möchte ich es auch noch mal haben“), einige machten sich Sorgen wegen meines Rückens, und das Negativste, was ich zu hören bekam, war: „Kriegt das Kind denn auch genug Luft?“ Ein sehr angenehmer Nebeneffekt war übrigens das Kennenlernen netter Mütter, die ihre Kinder ebenfalls im Tragetuch trugen! Das Tuch war sozusagen ein Erkennungszeichen für eine bestimmte Einstellung gegenüber Kindern und ihren Bedürfnissen. So habe ich auch Eulalie hier von den Rabeneltern kennen gelernt, worüber ich mich bis heute herzlich freue!

Roberta mit Gabriel (8/97) und Ivo (2/01)