Erfahrungen und Rabeneltern-Tipps: Stillen

Schon vor der Geburt stand für mich fest, dass ich mein Baby auf jeden Fall stillen möchte. Daher wählte ich als Geburtsort ein besonders stillfreundliches Krankenhaus aus. Schon bei der Anmeldung rund 6 Wochen vor der Entbindung kam ich in den Genuss einer kompetenten Stillberatung. Hierbei wurde das Stillen nach Bedarf empfohlen, verschiedene Stillpositionen anhand einer Puppe geübt und mit einigen Ammenmärchen (z.B. keinen Fruchtsaft trinken, nichts Blähendes essen etc.) aufgeräumt.

Die Geburt endete dann in einem sekundären Kaiserschnitt. Aufgrund einer Neugeboreneninfektion waren einige Untersuchungen und Eingriffe notwendig und der Säugling konnte erst rund 3 Stunden nach der Geburt angelegt werden. Da er zu schwach zum Saugen war, wurde das Kolostrum per Löffel zugeführt. Der Allgemeinzustand des Säuglings machte im Laufe des Tages die Verlegung auf eine Intensivstation notwendig. Da meine Entbindungsklinik keine Kinderintensivstation hat, wurde das Neugeborene zügig in die nächstgrößere Klinik verlegt. Der Milcheinschuss kam drei Tage nach der Geburt und so wurde der Säugling zunächst abwechselnd vom Vater und dem Pflegepersonal mit HA-Pre-Nahrung gefüttert. Ich selbst konnte leider noch nicht aufstehen und zur Klinik fahren. Vom Pflegepersonal der Wöchnerinnenstation wurde ich jedoch zügig in den Gebrauch einer elektrischen Milchpumpe eingewiesen und zum Abpumpen alle drei Stunden (auch nachts) ermutigt.

Am zweiten Lebenstag des Säuglings machte eine Darmverschlingung die nächtliche Notoperation in der nächstgelegenen Uniklinik notwendig. Nach der Operation, bei der ein Anus praeter gelegt wurde, wurde der Säugling auf der Intensivstation per Infusion ernährt. Sobald Sedierung und künstliche Beatmung nicht mehr notwendig waren (nach zwei Tagen), wurde meine abgepumpte Milch per Magensonde zugeführt. Da ich noch in der Entbindungsklinik lag, sammelte ich die abgepumpte Milch in sterilen Bechern und lagerte sie in dem kleinen Kühlschrank unseres Familienzimmers. Sobald wir dann im Laufe des Tages mit dem Taxi zur Uniklinik fuhren, nahm ich die Milch in einer von der Intensivstation geliehenen Kühltasche (Pfand 20 Euro) mit.

Auf der Intensivstation wurde mir nochmals sehr freundlich das Abpumpen erklärt. In einem speziell dafür vorgesehenen Zimmer gab es sterile Einmalsets und elektrische Pumpen. Wichtig vor dem Gebrauch des Geräts war die gründliche Reinigung der Hände (Desinfektionsmittel) und der Brustwarzen (sterilisiertes Wasser), um die Ausbreitung von Keimen u.ä. so minimal wie möglich zu halten. Die Becher mit der abgepumpten Milch mussten mit dem Namen des Patienten sowie Datum und Uhrzeit versehen werden. Die Milch wurde sodann zeitnah in den Kühlschrank der Intensivstation eingelagert.

Nach etwa 5 Tagen konnte ich den Säugling das erste Mal anlegen. Trotz des intensiven Einsatzes von Schnullern und der Gewöhnung an die Flasche, gab es keinerlei Probleme mit Saugverwirrung, Trinkschwäche o.ä. Ab diesem Moment stillte ich so oft wie möglich. Wenn ich nicht da war, bekam der Säugling meine Milch weiterhin aus der Flasche. Nur wenige Male war er zu müde, um seine Ration ganz zu trinken und wurde dann sondiert.

Sobald sich der Zustand des Säuglings stabilisiert hatte, wurden wir nach einer Woche auf die normale Säuglingsstation verlegt. Hier wurde das Prinzip aus Stillen und Abpumpen fortgeführt. Schwierigkeiten bereiteten mir und dem Säugling lediglich der der Krankenhausroutine geschuldete 4-Stunden-Rhythmus sowie die Tatsache, dass ich immer nur bestimmte Mengen stillen durfte, die nur langsam gesteigert werden konnten. Vor und nach jedem Stillen/Füttern musste der Säugling gewogen werden. Ich hatte recht schnell ein Gefühl dafür, wieviel er in welcher Zeit an meiner Brust trank und so spielte sich das Stillen den Umständen entsprechend gut ein.

Das Abpumpen zu Hause nahm ich mit einer Handpumpe vor und es klappte sehr gut. Zu diesem Zweck bekam ich von der Station jeden Tag zwei Glasflaschen (à 200 ml) mit, die ich am nächsten Morgen fast voll gefüllt wieder als Vorrat mitbringen konnte. Das Abpumpen auf der Station gestaltete sich mitunter schwierig, da manchmal alle Pumpen besetzt waren, ich länger als erwartet auf die Visite warten musste oder der Säugling sich lange Zeit nicht beruhigen ließ und ich ihn somit nicht für eine halbe Stunde alleine lassen konnte.

Nach der zweiten Operation, bei der der Anus praeter rückgängig gemacht wurde, durfte der Säugling 3 Tage nicht gefüttert werden und bekam die nötigen Nährstoffe per Infusion zugeführt. Nach diesen drei Tagen fingen wir erstmal mit der Flasche an, da zunächst nur 10 ml gegeben werden durften. Die Milchmenge steigerte sich innerhalb einer Woche recht schnell wieder auf etwa 150 ml und auch das Stillen konnte ohne große Probleme fortgesetzt werden. Generell hatte der Säugling kein Problem mit dem Wechsel zwischen Brust und Flasche. Auch der Einsatz verschiedener Schnuller- und Flaschensaugergrößen war unproblematisch.

Nach rund zwei Monaten konnten wir die Klinik mit einem gesunden Baby verlassen. Mittlerweile ist mein Sohn 8 Monate alt und wird nach wir vor nach Bedarf gestillt.

200g Weizen
150g Gerste
100g Hafer, alles fein geschrotet
150 g Butter
150 g Zucker
eventuell Nüsse

Das Getreide zusammen in der Pfanne andünsten bzw. leicht braun werden lassen. Die beiden anderen Zutaten dazugeben plus eine Tasse Wasser. Aus der Masse (mit Löffeln) kleine Kugeln formen.

Im Kühlschrank ca. 1 Woche haltbar.

Viele junge Mütter finden nicht die Zeit zum Kochen. Die Getreidekugeln sind schnell gemacht und schmecken gut schnell mal zwischendurch.

Janine hat ihre Tochter mit dem Brusternährungsset gestillt, obwohl sie selbst nur wenige Milliliter Muttermilch produzieren konnte. 13 ½ Monate lang bekam ihr Baby künstliche Milchnahrung an der Brust, dann stillte es sich selbst ab.

Diesen Erfahrungsbericht schrieb Janine, als ihre Tochter 3 Monate alt war:

Mein Name ist Janine, ich bin 24 Jahre alt und seit dem 14.04.02 stolze Mama von Abelina Jolin. Nach einer ziemlich verkorksten Geburt hatte ich mich sehr auf das Stillen gefreut, leider kam aber alles anders! Ich bekam keinen Milcheinschuss obwohl ich Abelina ständig anlegte und sie heftig saugte. Und ich hatte nur sehr wenig Vormilch, so das Abelina schon im Krankenhaus zugefüttert werden musste. Die Schwestern brachten mir Fläschchen, und behaupteten anders könne man so kleine Babys nicht zufüttern. Mein Mann kaufte mir dann einen Medela Softcup und damit fütterte ich Abelina zu und wurde auf der Station Gesprächs- und Lästerthema Nr. 1. Zitat der Oberschwester: „Saugverwirrung, so ein Quatsch! Hab ich noch nie erlebt!“ Komisch, denn 2 der mit Flasche Zugefütterten Babys deren Mütter ich kennen lernte wurden schon im Krankenhaus völlig abgestillt, weil sie die Flasche leer tranken aber nicht mehr an die Brust wollten.
Naja, Abelina becherte und saugte an der Brust, leider kam da nicht viel, über 2 Stunden bekam sie mit 4 mal anlegen gerade 30ml aus der Brust, das war am 6. Tag. Fast ihre komplette Nahrung nahm sie aus dem Becher, die Brust war mehr nur ihr Schnuller und alle legten mir nahe es doch endlich sein zu lassen, es brachte doch nichts! Doch, es brachte etwas, denn Abelina mochte das Saugen an der Brust!

Zu Hause durchforstete ich sofort das Internet nach Hilfe und fand bei Biggi Welter den Rat mit dem BES, was ich sofort bestellte. Zunächst mal war es eine riesen Enttäuschung, ich ging mit völlig falschen Erwartungen daran. Ich dachte mir so, ich lege mir das BES um, klebe die Schläuche fest und schon kann ich perfekt stillen, so einfach war es natürlich nicht. Es dauerte ewig bis ich mit Hilfe der Stillberaterin das BES so platzieren konnte, dass Abelina wirklich etwas raus bekam. Aber dann klappte es plötzlich erstaunlich gut! Mit 2 Monaten ernährte ich Abelina komplett über das BES (und das bisschen Muttermilch was kam aus der Brust).

Leider kam dann mein nächster Dämpfer: Meine Familie, einschließlich meines Mannes, fanden es „seltsam“, dass ich das Kind stillte, ohne das nennenswert Milch kam. Dass sich daran noch etwas ändern würde schlossen wir inzwischen alle aus. Niemand konnte so richtig nachempfinden, warum es mir so wichtig war, dass Abelina an meiner leeren Brust nuckelte, meine Schwester (die selbst 2 Kinder stillte!) nannte es hinter meinem Rücken „pervers“!
Ich war völlig fertig, und entschied mich schweren Herzens „abzustillen“. Doch meine kleine kluge Abelina!!!! Sie verweigerte jede Flasche, sie verweigerte sogar den Becher! Vor zwei Wochen, Abelina war 3 Monate, versuchte meine Schwiegermutter ihr die Flasche zu geben, Abelina schrie wie am Spieß, ich nahm sie und legte sie an und sie beruhigte sich sofort obwohl ja nur ein paar Schlückchen Milch kamen. Meine Schwiegermutter war erstaunt und meinte, dass sie nun verstehen würde, dass ich Abelina „stillen“ würde – so wie sie es liebt!

Seitdem haben wir nicht mehr versucht Abelina „abzustillen“! Und inzwischen bekomme ich auch keine dummen Kommentare mehr zu hören.
Ich stille Abelina 6-mal am Tag und einmal nachts mit Pre-Milch durch das BES, (als sie Husten hatte, habe ich sie mit Fencheltee durch das BES gestillt 😉 das kann nur ich!) wenn sie müde oder knatschig ist oder nachts aufwacht lege ich sie ohne BES an und sie nuckelt sich in den Schlaf. So weiß ich, alles was mein Körper an Muttermilch bilden kann bekommt Abelina – und sie liebt es so!! und ich genieße das Stillen auch sehr, inzwischen ist es mir nicht mehr so wichtig, dass kaum Mumi kommt, stillen ist so viel mehr als Muttermilch!!!
Schade finde ich, dass es heutzutage keine Milchbanken mehr gibt, das wäre wohl das Ideal 🙂 Aber inzwischen habe ich mich damit abgefunden, dass „meine Muttermilch“ eben von Nestle kommt 😉

Verfasst von Janine.

Eine Nachbarin hat mich während der Schwangerschaft in vertraulichem Ton gefragt, ob ich stillen wolle. Ich fand die Frage fast überflüssig (klar, wollte ich stillen!), aber noch alberner fand ich, als sie mit ihrem Stillbuch auftauchte und es mir in die Hand schob, als wär’s die heilige Schrift. Es war das Buch von Hannah Lothrop, das mich durch seine „Du“ – Formulierung auch etwas abschreckte. Diese ganze Stillerei erschien mir wie eine Religion, die mir mit zu viel Trala verkauft wurde.

Und so intensiv ich mich mit allen Fragen der Schwangerschaft und Geburt auseinander setzte, so eisern ignorierte ich den Anhang in allen meinen Schwangerschaftsbüchern, in denen es ums Baby ging. Alles, was ich wusste, war, dass man das Kind so bald wie möglich anlegen sollte. Der Rest ist Natur.

Aber irgendwie kam dieser Natur einiges in die Quere, und meist trug dies weiße Kittel. Die Kinderschwestern in der Entbindungsklinik erklärten mir als erstes, dass ein Neugeborenes nicht öfter als zweistündlich stillen dürfte. Dazu bekam ich noch diverse Zeitangaben an die Hand und konkrete Anweisungen für die rechte und linke Seite (wobei sich die einzelnen Schwestern widersprachen). Wenn man dazu noch weiß, dass ich eine ausgeprägte Rechts- /Linksschwäche habe, wundert es wohl keinen mehr, dass ich am zweiten Tag mit dem Wecker im Bett saß und akribisch notierte, wann mein Sohn auf welcher Seite wie lange getrunken hat.

Schon kamen die ersten mathematischen Hürden: Rechne ich den Stillabstand ab dem ersten Schluck oder ab dem letzten? Wenn eine Stillmahlzeit eine halbe Stunde dauert, dann ergibt sich da immerhin ein recht langer Spielraum, eine Grauzone im Legalitätsbereich des Stillens sozusagen.

Ha, ertappt! Eine Stillmahlzeit darf nur 20 Minuten dauern.

Wenn ich ihn länger nuckeln ließe, bräuchte ich mich nicht zu wundern, dass meine Brust wund wurde.

Wenn der Stillabstand kürzer als zwei Stunden war, würde das Kind natürlich schreien, weil es Bauchschmerzen bekäme von der neuen Milch, die auf die alte trifft. (Aber ich stillte doch nur deshalb in kürzeren Abständen, WEIL er schrie?! Wahrscheinlich waren das die Schmerzen vom vorherigen Stillen…)

Wenn das Kind so oft trinken wolle, hätte ich wohl recht dünne Milch, meinte eine Bekannte, die zu Besuch war, und bei der es selbst so war.

Den Obstkorb von meinem Mann schenkte ich der Bettnachbarin, die nicht stillte, denn ich wagte es weder Pflaumen noch Zitrusfrüchte noch irgendetwas zu essen, da alles in Verdacht stand, beim Kind Blähungen zu verursachen.

Nun denn, am dritten Tag hatte ich unerträgliche Schmerzen in den Brüsten, die sich anfühlten, als wären sie mit heißem Teer gefüllt. Leider waren die Hebammen und Schwestern etwas überfordert auf der personalmäßig unterbelegten Station, so dass ich nicht wagte, ständig nach Quarkwickeln zu fragen (von denen ich zuvor nie gehört hatte, die mir aber als Lösung angeboten wurden). Ich hatte auch nicht damit gerechnet, harte Knoten in der Brust zu bekommen, die der Chefarzt betastete und zu denen er meinte: „Das ist noch in Ordnung!“ Noch??? Und was soll ich tun, damit es in Ordnung bleibt?

Es war so weit: Ich packte das Buch meiner Nachbarin aus der Tasche und fing an, nach Informationen zum Stillen zu suchen. Und erst da wurde mir bewusst, dass ich bereits in die Mühlen geraten war, dass jeder etwas Anderes wusste und offenbar keiner etwas Genaues.

Zum Abschied nach 4 Tagen Klinik redete mir der Chefarzt noch einmal ins Gewissen, so bald wie möglich den 4-Stunden-Rhythmus einzuführen.

Zuhause waren es die Kinderärzte, die Nachsorgehebamme, meine Mutter. Jeder hatte eine andere These, weshalb mein Sohn schrie. Denn da er ein normalgewichtiges Baby war, fanden es alle höchst verwunderlich, dass er „wie ein Frühchen“ öfter als vierstündlich trinken wollte.

Es sollte gut sechs Wochen und zwei Brustentzündungen (eine davon mit Antibiotika) dauern, bis ich ALLE tollen Tipps in den Wind schießen konnte. Davor dachte ich noch, ich müsste, sollte, hätte sollen… . Erst als ich anfing, gezielt nach Informationen zu suchen und auf die Internetseite mit meiner Lieblingsstillberaterin stieß, erblickte ich so etwas wie einen Lichtstrahl. Die ganze Stillerei erschien plötzlich nicht mehr als mathematische Geheimwissenschaft von Weißkitteln, sondern als etwas, bei dem ich auf mein Kind hören durfte. Und das fand ich relativ unkompliziert.

Ab dann klappte es! Ich stillte sechs Monate voll, fing dann an, zuzufüttern, wobei mein Sohn erst mit etwa 9 Monaten einigermaßen Interesse daran zeigte. Langsam wurden alle Kinder aus unserer Krabbelgruppe abgestillt. Bekannte fragten immer wieder: Na, wann stillst du ab? – Mal schauen…

Jetzt wird mein Sohn 2 Jahre alt. Hätte mir vor zwei Jahren jemand erzählt, dass es Mütter gibt, die so lange stillen, ich hätte diese Mütter wohl für – gelinde gesagt – komisch gehalten. Und eh man sich versieht… !

Ich erwarte im Herbst mein zweites Kind. Der Gedanke, das erste so langsam abzustillen, kommt mir immer wieder. Tagsüber stillt er so gut wie gar nicht mehr. Aber wenn er darum bittet (vor allem nachts noch), dann mit solch einer Vehemenz und Ernsthaftigkeit, dass ein Abstillen im Moment noch unwahrscheinlich ist. Denn mit Gewalt will ich es nicht erzwingen.

Wir werden sehen, was daraus wird…

Die Moral von der Geschicht: Es geht doch nichts über die richtigen Informationen zur richtigen Zeit. Was für mich vielleicht noch verhängnisvoll war, war die Tatsache, dass die Klinik zur Entbindung so genial gut war. Dadurch hatte auch die Wochenstation einen Vertrauensbonus bekommen, den sie leider nicht verdient hat… In einem anderen Krankenhaus hätte ich vielleicht von vornherein mehr hinterfragt.

Verfasst von Molly.

Henrike war ein Wunschkind. Ganz jung waren wir nicht, aber auch nicht alt mit 32 und 33 Jahren. Die Schwangerschaft verlief vollkommen normal. Ich genoss sie und blühte auf. Bei Henrikes ersten Bewegungen stellte ich mir vor, was sie wohl für ein Kind sein würde.

Auf jeden Fall gefiel es ihr so gut, dass ich schon eine Einweisung ins Krankenhaus hatte für die Einleitung. Die Geburt fing dann aber doch von selbst an. Auch hier sah zunächst alles nach einer Bilderbuchgeburt aus. Aber als ich schon auf dem Gebärhocker saß, hörten die Wehen auf. Danach begann dann das medizinische Programm: Seitenlage im Kreißbett, Wehentropf, aber Henrike wollte einfach nicht. Nachdem ihre Herztöne absackten und ihr Köpfchen schon mehrmals zu sehen war, aber jedes Mal wieder verschwand, fiel dann die Entscheidung: Zangengeburt! Mein Mann, der mich bis dahin ganz toll unterstützt hatte, wurde rausgeschickt. Um mich herum versammelten sich fünf Weißkittel (Hebamme, Ärztin, Oberarzt. Kinderarzt, Krankenschwester). In diesem Moment fehlte mir mein Mann so, und ich fühlte mich nur noch allein und ausgeliefert.

Doch endlich war es so weit: Henrike war da, blau und rot, verschrumpelt, laut schreiend – und doch das süßeste Mädchen der Welt!

Angelegt habe ich sie noch im Kreißsaal. Unser kleines Mädchen saugte so kräftig. Dass in so einem kleinen Menschen so viel Kraft sein konnte…

Im Krankenhaus blieb ich fünf Tage. Die Hebammen und Schwestern auf der Wöchnerinnen-Station waren ganz unterschiedlich: Von der Ziege a là Oberschwester Hildegard bis hin zur Hebamme, die mir auch menschlich gute Tipps gab, war alles vertreten.

Mir fehlte jedoch die einheitliche Linie: Jede sagte etwas anderes und vor allem die Konservativen rümpften die Nase über die Vorschläge ihrer Kollegin zu alternativen Fütterungsmethoden. Denn Henrike bekam im Krankenhaus ein oder zwei Fläschchen HA-Nahrung, obwohl ich es eigentlich nicht wollte – hatte ich doch in der Schwangerschaft Hannah Lothrop gelesen. Aber das ständige Gerede: „Sie war übertragen und braucht Flüssigkeit. Sehen Sie doch mal wie trocken ihre Haut ist.“ machte mich ganz hilflos und unsicher.

Als wir zu Hause waren, klappte alles viel besser. Henrike war ruhiger, schrie nicht mehr so viel. Meine größere Ruhe übertrug sich auch auf das Kind. Ich konnte richtig anfangen, unsere kleine Tochter zu genießen. Da unsere Verwandtschaft weit weg wohnt, konnten wir uns den Tag so gestalten, wie wir wollten. Und blieben auch von mehr oder weniger klugen Kommentaren verschont.

Dazu gehörte für mich auch das Stillen – ganz selbstverständlich. Ein Stück weit war es sicher auch der Ehrgeiz, der mich packte: Waren doch drei meiner vier Neffen ca. ein Jahr gestillt worden. „Was meine beiden großen Schwestern schaffen, das schaffe ich auch!!“, war meine Devise. Und alles in allem verlief unsere Stillbeziehung auch problemlos.

Nur im letzten Sommer – ich war bei meinen Eltern zu Besuch und Henrike in der totalen Fremdelphase – kam es zu einem fiebrigen Milchstau. Die Ärzte in der gynäkologischen Ambulanz hatten wenig bis keine Ahnung vom Stillen. Der Professor schien auch der Meinung zu sein, dass Abstillen jetzt wohl doch angebracht sei. Zum Glück holte ich mir Rat bei einer Stillberaterin, die mir den Rücken stärkte. Ihre Tipps halfen auch: Ruhe. Stillen, Stillen, Stillen.

Und jetzt: Henrike wird in der Regel immer noch dreimal täglich gestillt. Vor allem zum Einschlafen braucht sie es noch. Für mich ist das kein Problem. Vielmehr genieße ich den ruhigen Tagesabschluss, das dämmrige Licht, die Nähe zu unserem kleinen Schatz.

Was wir nicht (mehr) machen: Stillen in der Öffentlichkeit. Ich gebe zu, dass ich da für mich eine persönliche Grenze erreicht habe. Vielleicht wäre es anders, wenn Henrike es einfordern würde, aber tagsüber lässt sie sich meist auch anders trösten.

Das letzte Mal haben wir im Trubel auf ihrer Geburtsfeier gestillt, das war vor drei Monaten.

Das Ende? Es könnte fast lauten wie im Märchen: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann stillen sie noch heute…

Und dann kam die Kür *g*

Aber bis es soweit kam, mussten wir einige Berg- und Talfahrten durchmachen.

Eines war von vorneherein klar: unbedingt sechs Monate zu stillen. Das tut schließlich jeder. Dachte ich. Wurde doch auch so empfohlen?
Zugegeben: ich habe nicht besonders viel darüber gelesen. Ich wollte Stillen, und dann hat das auch zu klappen. Wozu denn noch tonnenweise Bücher wälzen?!
Fläschchen und Pulvermilch habe ich mir erst gar nicht gekauft. Wozu auch… ich wollte ja Stillen! Und dann braucht man sowas nicht.

Aber es kommt doch immer anders als man denkt.

Nach einem Blasensprung mitten in der Nacht ohne Wehen ging es ins Krankenhaus. Dort wurde dann die Geburt eingeleitet, weil sich nichts von selbst tun wollte. Als ich dann am Wehentropf hing, wurden die Herztöne des Kindes immer schlechter, sodass man sich für einen Kaiserschnitt entschied.

Zum ersten Anlegen brachte man mir meinen Sohn leider erst einige Stunden nach der Geburt. Er bekam natürlich Glukose in der Zwischenzeit. Hier ärgere ich mich im Nachhinein ziemlich arg über meine mangelhafte Vorbereitung hinsichtlich Geburt und Stillen.

Er saugte aber, als wenn er noch nie etwas anderes gemacht hätte. Die Schwestern bezeichneten ihn als Naturtalent *g*.

Aufgrund der Infusionsnadeln brauchte ich in den ersten Tagen immer Hilfe zum Anlegen. Das war mir einfach noch zu viel.

Die nächste Station waren die wunden Brustwarzen. Noch im Krankenhaus kam ich in diesen Genuss. Die krankenhauseigene Salbe, die man vor dem Stillen nicht abwischen musste, linderte die Beschwerden einigermaßen. Trotzdem hatte ich Angst vorm Anlegen, da die Schmerzen doch ziemlich heftig waren. Das dauerte fast vier Wochen, bis sich das einigermaßen eingespielt hatte.

Als mein Sohn etwa 5 Monate alt war, bekam ich plötzlich sehr heftige Schmerzen in der linken Brustwarze. Es war so, als ob ständig jemand mit einer Nadel reinstechen würde. Unabhängig davon, ob das Kind angelegt war, oder nicht. Ein Dauerschmerz!

Also ab ins Krankenhaus (es war natürlich Sonntag Nachmittag). Dort untersuchte die diensthabende Ärztin die Brust und konnte äußerlich nichts feststellen (keine Risse oder ähnliche Veränderungen). Sie bat aber die Kinderschwestern, die Brust mal richtig leerzupumpen. Mit Tränen in den Augen ließ ich mir also die Milch abpumpen. Dabei kam ein kleiner blauer Fleck auf der Brustwarze zum Vorschein, wo die Schwester dann vermutete, dass das ein „blauer Fleck“ sein könnte. Ich konnte mich aber weder an Bisse seitens des Kindes, noch an andere Stoßverletzungen bewusst erinnern.

Als ich dann abends mit der Handpumpe wieder anfing zu pumpen, machte es „Plopp“, und ein kleiner Batzen und ein paar Blutschlieren kamen raus. Schlagartig waren die Schmerzen fast wie weggeblasen. Danach kam die Milch wieder sauber wie immer. Ich konnte meinen Sohn in der Nacht dann schon wieder schmerzfrei anlegen.

Im Gespräch mit meiner Frauenärztin hatte diese dann die Vermutung, dass das eine Art Blutgerinsel war, das den Milchkanal verstopft hat. Durch die elektrische Pumpe im Krankenhaus wurde es dann soweit gelockert, dass es beim nächsten Pumpen am Abend ausgetreten ist. Woher sowas kommt, dürfte aber in den seltensten Fällen nachvollziehbar sein.

Tja – an besagtem Sonntag wollte ich eigentlich nur noch eins: ABSTILLEN!

Aber als es dann wieder einwandfrei ging, schob ich es doch noch hinaus. Ich wollte unbedingt die sechs Monate durchhalten. Krampfhaft hielt ich mich an folgendem Spruch fest: Was sind ein paar Monate Zähne zusammenbeißen für mich, gegen ein ganzes Leben meines Sohnes! Und so hielt ich das erste halbe Jahr auch durch. Dann war Weihnachten. Und die Feiertage. Hm… da stillt man nicht ab. Mit Beikost haben wir mit ca. 7 Monaten angefangen. Ganz langsam – immer in Kombination mit Mumi. So war ich immer ca. zwei bis drei Monate hinter den „Empfehlungen“ auf den Packungsangaben her. Was aber nicht weiter schlimm war – unser Sohn gedieh prächtig und war ein sehr selbstbewusstes, aufgewecktes Kerlchen. Im Vergleich zu anderen gleichaltrigen Babys war er immer ein bis zwei Entwicklungsschritte voraus! Kommentar unseres Kinderarztes bei der U6: „Der strotzt ja geradezu vor Selbstbewusstsein!“ – er hat das komplette Sprechzimmer auf den Kopf gestellt und eingehend die Werkzeuge des Docs untersucht !*g*

Komischerweise gab es nach den sechs Monaten Pflicht keinerlei Schwierigkeiten mehr, und so gab es für mich keinen Grund mehr, abstillen zu wollen. Stillen machte plötzlich echt Spaß!!!!

Und so zogen die Monate ins Land und wir stillten, und stillten, und stillten…. allerdings hat sich das im zweiten Lebensjahr nur noch auf morgens (nach dem aufwachen) und abends (vor dem einschlafen) reduziert. In Ausnahmesituationen wollte er auch nachts noch einen Milchimbiss (bei Krankheit z.B.).

Und solange sich beide wohlfühlen dabei, spricht doch auch nichts dagegen, oder?

 

Als ich mit Alexander schwanger war, deckte ich mich erst mal mit sämtlichen Erziehungsratgebern ein, darunter auch das Stillbuch von Hannah Lothrop. Es hat mir sehr geholfen zu verstehen, dass man ein Kind nach Bedarf stillt, dass es Wachstumsschübe gibt usw. Einen Internetanschluss hatte ich noch nicht, den habe ich erst 3 Monate vor Alexanders Geburt bekommen. Und auch da wusste ich nicht gleich, wo ich gute Infos zum Stillen finden konnte.

Dennoch ging ich davon aus, 6 Monate zu stillen und dann abzustillen. Das machen ja alle so. Ich wusste eigentlich gar nicht, dass man länger als 6 Monate stillen kann! Zu einer Stillgruppe wollte ich nicht gehen, das sind doch alles Öko-Mütter, dachte ich.

Im Krankenhaus „half“ mir eine Hebamme beim Stillen, indem sie meinem Sohn meine Brustwarze in den Mund schob. Mein Sohn, verwundert von diesem „Ding“ in seinem Mund, biss leider gleich zu. Autsch! Das hieß leider wunde Brustwarze für die nächsten zwei Wochen. Doch auch die gingen vorbei.

Dann kam ein Wachstumsschub mit etwa 3 Monaten. Obwohl ich viel darüber gelesen hatte, war ich doch sehr verunsichert. Ich wusste nicht, dass ein Kind viel öfter, vielleicht sogar ständig trinkt. Dann haben wir ihm ein paar Mal sogar eine Flasche gemacht, aus Verzweiflung. Er hat aber nie mehr als 50 ml getrunken. Damals sah ich das Stillen noch nur als Ernährung an. Deshalb habe ich zwischendurch sogar versucht abzustillen – aber sehr halbherzig, weil ich das Stillen mochte, weil mir die Arbeit mit den Flaschen zuviel war J und vor allem weil Alexander sich wehrte! Doch irgendwann spielte sich das Milchangebot wieder ein und wir stillten weiter, alle zwei Stunden. Unsere Kinderärztin sagte zwar, alle zwei Stunden sei ja vieeeel zu viel und wir sollten ihn mit Tee hinhalten, doch den wollte mein kluger Sohn nicht, was ich mir schon gedacht hatte. Diese Zeit war schwer, weil mir der Zwei-Stunden-Abstand zu kurz war. Aber ich habe dann meinem Kind vertraut und mich darauf eingelassen, ab dann ging es besser.

Ab da nahm ich auch immer mehr Abstand von den Aussagen der Babynahrungsindustrie und des „Mainstream“ in Sachen Kindererziehung. Wir machten so vieles anders als die meisten anderen. Ich stillte immer noch, unser Sohn schlief in unserem Bett und wir ließen ihn nicht schreien. Ich habe gelernt, dass ich meinem Gefühl und vor allem meinem Sohn vertrauen kann, das macht vieles so viel leichter und einfacher!

Diese Zeit fiel in den Sommer, vielleicht auch deshalb der kurze Abstand. Alexander hat, als er vollgestillt wurde, bei Hitze nie etwas anderes getrunken als Muttermilch, dafür eben öfter, aber auch kürzer.

Mit 6 Monaten wollten wir zufüttern mit Gläschen, weil dann ja die Milch nicht mehr reicht. Die Babynahrungsindustrie will uns weismachen, dass die Muttermilch mit 4, spätestens mit 6 Monaten nicht mehr reicht und außerdem sozusagen sofort an Nährstoffen verliert, was natürlich Blödsinn ist. Mein Sohn stillte voll, bis er 8 Monate alt war. Dann gab es jeden Mittag Gläschen. Immer Karotte mit Mais, denn etwas anderes rührte er nicht an. Und er aß immer exakt ein halbes Gläschen, nie mehr. Das wurde ihm und mir nach ein paar Wochen zu langweilig und er aß einfach unser Essen mit. Er aß damals schon fast alles, auch harte Sachen wie Brot, Zwieback und ähnliches, obwohl er damals noch keinen einzigen Zahn hatte. Er lutschte die Sachen weich, bis er sie runterschlucken konnte.

Seinen ersten Zahn bekam er mit 11 Monaten und dann in schnellem Abstand noch weitere 6 Stück. In dieser Zeit fing er auch an, mehr zu essen und auch mal eine Stillmahlzeit zu ersetzen und so ist es bis heute.

Das heißt aber nicht, dass er weniger stillt! Nein, er trinkt nur nicht mehr so oft. Wirklich trinken an der Brust will er etwa 3 bis 5 Mal am Tag, dazwischen noch zusätzlich viele Male nuckeln: Zum Trösten, zum Schlafen, einfach so… Ich denke, unsere Stillbeziehung ist noch lange nicht zu Ende und ich bin froh darüber!

Ich finde es wichtig, meinen Sohn selbst bestimmen zu lassen, wann er selbstständiger wird und seine MuMi nicht mehr (so oft) braucht.

Rückblickend kann ich sagen, dass je älter Alexander wird, desto mehr Spaß macht das Stillen!

Bei wunden Brustwarzen helfen „Stilldonuts“: Das sind mehrere Stilleinlagen übereinander geklebt mit Loch in der Mitte. Die kommen dann in den BH und die Brustwarze hat Luft, man hat aber trotzdem eine Stütze.

Muttermilch wirkt:

  • in der Nase befeuchtend und leicht abschwellend
  • heilfördernd & leicht antiseptisch auf: wundem Po, wunden Brustwarzen, Säuglingsakne, leichten Schürfwunden beim Kleinkind, „Matschaugen“, Sonnenbrand, bei trockener Haut (1:1 mit Pflanzenöl vermischt).

NICHT bei Pilzerkrankungen!

Ich finde es traurig – wenn auch scheinbar in vielen Köpfen verbreitet – dass eine der natürlichsten Sachen der Welt, nämlich das Stillen, mit der Entwicklung andersartiger sexueller Neigungen, psychischer Schäden beim Kind oder gar sexuellem Missbrauch in Verbindung gebracht wird. Selbstverständlich hat das Stillen sexuellen Charakter – nämlich im ursprünglichen Sinne von sexuell (geschlechtlich, zum Geschlecht gehörend). Frauen sind weibliche Wesen und zu ihrem Frausein gehört das Stillen als elementare Fähigkeit, die über inzwischen Millionen von Jahren das Überleben der Menschheit gesichert hat. Dass das Stillen mit (angenehmen) sinnlichen Erfahrungen verknüpft ist, ist doch ganz normal und sogar wünschenswert – empfänden die meisten Frauen das Stillen als unangenehm und eklig, wären wir ja schon längst ausgestorben!

Wenn es so wäre, dass das Stillen ursächlich für die Entstehung psychischer Schäden bei Kindern wäre – wo gäbe es wohl die meisten psychisch Kranken auf der Welt? Nun, gewiss nicht in der westlichen Welt, wo nur noch ein Bruchteil der Babys gestillt wird, oder? Die Psychologen, Psychiater und sonstigen Fachleute wären ja schon längst arbeitslos geworden. Andererseits hat man noch nie etwas von derlei Berufsgruppen bei den so genannten Naturvölkern gehört …

Ich werde ein bisschen sarkastisch bei diesem Thema. Das ist eine Abwehrreaktion – nicht nur, weil ich als Langzeitstillende selbst betroffen bin von dieser verqueren Argumentation der Stillgegner, sondern weil es mich traurig macht daran zu denken, wie viele Kinder – und Mütter! – diese natürliche, zärtliche und sinnliche Ur-Erfahrung der Verbundenheit entbehren müssen. Immer wieder höre ich davon oder lese ich Beiträge auf den einschlägigen Elternratgeber-Websites – selbst von Müttern-, dass das Stillen von Kleinkindern als ekelhaft empfunden wird.

Allen, die sich mit dem Thema Langzeitstillen auseinandersetzen wollen, empfehle ich das Buch von Norma Jane Bumgarner: Über das Leben mit gestillten Kleinkindern. Es ist in unserer grünen Bücherliste in der Rubrik Stillen aufgeführt.

Schimpansen und Gorillas stillen ihren Nachwuchs ab, wenn die ersten bleibenden Backenzähne durchbrechen. Der Zahnwechsel beim Menschen beginnt ca. mit 5.5 – 6 Jahren. Bei großen Primaten ist die Stillzeit durchschnittlich sechsmal länger als die Schwangerschaft. Übertragen auf den Menschen würde das eine Stillzeit von 4.5 Jahren bedeuten. Würde bei einem Drittel des Erwachsenengewichts entwöhnt, erreichte die Stilldauer 4 bis 7 Jahre. Das Abstillalter (im Tiervergleich) reicht von 2.5 Jahren bis 7 Jahren und liegt deutlich über dem heute üblichen Trend der westlichen Gesellschaften, das Baby bereits nach einem halben Jahr abzustillen.

9. Juni

Morgens kurz vor sieben wird Vincent geboren, genau in den Schichtwechsel hinein. Vielleicht war das der Grund, weshalb in der Folgezeit keine Hebamme gekommen ist, um ihn das erst Mal bei mir anzulegen Das Baby lag zwar auf meiner Brust und hat auch ein bisschen geleckt, aber ich als unerfahrene Erstmama habe es eben nicht so „zur Brust genommen“, wie es hätte sein müssen.

Bereits mittags waren wir wieder zuhause, Susanne, meine Hebamme war gegen 16 Uhr da. Dann versuchten wir es das erste Mal mit dem Anlegen. Dabei stülpte Vincent die Lippen nach innen und hatte nur einen sehr schwachen Saugreflex. Susanne formte seinen Mund richtig, allein saugen mochte er nicht mehr. Ich versuchte es noch ein paar mal alleine, nachdem Susanne weg war – ohne Erfolg.

So ging es die nächsten drei Tage, wobei Vincent immer hungriger und ungeduldiger wurde, auch mit Stillhütchen nicht ansaugte und seine zweite und dritte Nacht durchweinte. Wenn ich ihn anlegte, streckte er den Rücken durch und schlug mit dem Kopf hin und her, so dass keine Chance bestand, ihm die Brustwarze einzuführen.

12. Juni

Nach der zweiten durchweinten Nacht und insgesamt schon über 72 Stunden ohne Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme wirkte der Kleine so apathisch, dass ich gleich morgens Susanne anrief, die auch gleich vorbei kam und ihn wog. Er hatte die kritische 10 % -Marke unterhalb des Geburtsgewichts erreicht und hatte außerdem Fieber. Daraufhin flößten wir Vincent gesüßten Tee ein und fuhren dann schleunigst zur Kinderärztin. Die schloss eine Infektion aus und verschrieb eine elektrische Milchpumpe, damit meine Milchproduktion in Gange kommen konnte. Am frühen Nachmittag hatte ich die erste Kolostralmilch für Vincent abgepumpt und Susanne zeigte mir, wie ich ihm die Milch mit einem kleinen Becherchen einflößen sollte, möglichst so, dass er sie sich mit der Zunge holen musste. Das ging gut, bis er etwas Kraft geschöpft hatte und schnell mehr haben wollte. Ab dem Zeitpunkt ging mehr von der mühsam gewonnenen Milch auf Spucktuch, Klamotten und Kissen als in das hungrige Baby-Mäulchen – jede Fütterung geriet zum Kampf mit viel Geschrei.

15. Juni

Susanne brachte uns den Finger-Feeder mit. Das ist ein dünn auslaufender Aufsatz für eine Spritze, den man neben dem kleinen Finger – vom Baby unbemerkt – in den Mund einführen kann. Das Baby saugt also am kleinen Finger (Fingernagel zeigt zur Zunge) der einen Hand, mit der anderen Hand kann man kontrollieren und halbmilliliterweise Milch in den Mund geben. Am kleinen Finger spürt man auch, ob das Kind die richtige Trinktechnik anwendet und kann so dieses richtige Verhalten belohnen. Wenn das Baby nicht saugt oder mit der falschen Technik saugt (mit umgestülpten Lippen, ohne Zungeneinsatz etc.), kommt keine Milch. So hat Vincent in den nächsten zwei Wochen die richtige Trinktechnik gelernt. Von zunächst einer Spritze (20 ml) steigerten wir uns in dieser Zeit auf 4 – 5 Spritzen pro Mahlzeit, die natürlich – wie auch das ganze Abpump-Geschirr nebst Fläschchen – regelmäßig gewaschen und sterilisiert werden mussten. Ich pumpte tagsüber alle zwei, nachts alle drei Stunden ca. 20 – 30 Min., später 15 Min. ab und stand anschließend am großen Kochtopf zum Auskochen. An Schlaf war nicht ernsthaft zu denken. Die Anschaffung eines Vaporisators und die Anwendung einer Magensonde, die am kleinen Finger mittels eines Kunststoffrings befestigt wurde, anstelle des Finger-Feeder-Aufsatzes, hat die Fütterung weiter erleichtert, da man das Kind in der Wiegehaltung und so die Hände sehr viel natürlicher halten konnte.

Nachdem wir zunächst immer wieder versucht hatten, Vincent anzulegen, er aber zwischenzeitlich schon beim Nähern der nackten Brust schrie, holte sich Susanne Rat bei einer Stillberaterin. Die schlug vor, Vincent zunächst gar nicht mehr anzulegen, damit er seine schlechten Erfahrungen vom Anfang vergisst.

Nach ca. zwei weiteren Wochen waren die von Vincent getrunkenen Mengen mit den Spritzen kaum noch zu bewältigen. Nochmalige Versuche, Vincent anzulegen, mit und ohne Stillhütchen, mit an der Brustwarze angeklebter Magensonde, im hungrigen, im halbsatten Zustand, müde oder ausgeschlafen – nichts brachte den kleinen Kerl dazu, wenigstens ansatzweise einen Saugversuch zu unternehmen. Meistens brüllte er sofort oder nach kurzer Zeit so, als wolle man ihm ans Leben. Da blieben dann die Verzweiflungs-Tränen bei der Mutter auch nicht aus.

21. Juni

Meine Mutter hatte über eine Bekannte von Osteopatie-Behandlungen bei geburts-traumatisierten Säuglingen gehört und heute hatte Vincent einen Termin. Ich wollte nichts unversucht lassen. Obwohl die Therapeutinnen mir den Eindruck vermittelten, es müsse sofort eine Wirkung erkennbar sein, gab es nach wie vor keinen Fortschritt.

Da auch Susanne keinen Rat mehr wusste, schickte sie mir eine professionelle Stillberaterin (IBCLC) ins Haus.

24. Juni 

Die Stillberaterin kam zu uns nach Hause, um unsere Stillversuche in der gewohnten Umgebung zu beobachten. Nachdem sie uns erst zugeschaut hat, machte sie ein paar Vorschläge von Positionen (u.a. auf dem Wickeltisch) und versuchte den schnellen Wechsel zwischen dem kleinen Finger und der Brustwarze – alles ohne Erfolg. Daraufhin ließ sie uns den sogenannten „Haberman“-Sauger da, der einzige Flaschensauger, bei dem das Kind aktiv wie an der Brust saugen muss, um etwas herauszubekommen, und bei dem man beeinflussen kann, wie viel das Kind herausbekommt. Dadurch kann man das Saugen an der Brust simulieren (zunächst kommt ganz wenig, bis der Milchflussreflex aktiviert ist, dann kommt viel auf einmal). Sie schlug vor, Vincent viel an der nackten Brust zu füttern (hatte ich auch vorher schon gemacht) und ihm die Brust nur so lange anzubieten, so lange er nicht brüllt.

Mit der Flasche sind wir nach ein paar Anfangsschwierigkeiten gut zurecht gekommen. Ich einigte mich mit der Stillberaterin auf eine weitere Woche Abpumpen bis nächsten Donnerstag, wenn Vincent dann nicht die Kurve bekommen hätte, würde ich Abstillen.

1. Juli

An diesem Nachmittag war ich ganz entspannt und Vincent gnaddelte ohne erkennbaren Grund. Ich konnte ihn mit nichts trösten und auch das Windelwechseln hatte nicht geholfen. Da er nun schon mal auf dem Wickeltisch lag, bot ich ihm die Brust als Trost an. Er nahm die Warze ohne Gebrüll in den Mund und – SAUGTE!!! Ich war völlig sprachlos und überwältigt von dem Gefühl eines saugenden Kindes an meiner Brust.

2. Juli

Auch beim Termin bei der Stillberaterin klappte es mit dem Saugen auf dem Wickeltisch liegend, kein Vorführeffekt! Also doch noch kein Abstillen morgen, der Junge bekommt eine weitere Woche, um die Kurve zu bekommen. Dabei sollte er erst die Muttermilch aus der Flasche bekommen, dann aus der Brust.

Diese Woche war fürchterlich. Mit der Hoffnung im Herzen, dass es mit dem Stillen doch noch klappt, ging es einen Schritt vor und zwei zurück. Weder durfte das Kind zu hungrig oder zu müde sein, wenn ich von der Flasche auf die Brust wechselte, noch durfte ihn sonst etwas ablenken. Die Fütterungen gerieten wieder zum Kampf mit viel Geschrei. Meistens klappte es Nachts ganz gut mit dem Nachschlag aus der Brust, tagsüber endeten die Mahlzeiten häufig damit, dass er nach Flasche, lautem Gebrüll an der Brust, erst wieder eine halbe Stunde zum Beruhigen brauchte, bevor er überhaupt wieder aus der Flasche trinken konnte. Meine Nerven waren kaum noch vorhanden.

7. Juli

Von einer zweiten Ostheopatie-Behandlung erhoffte ich mir einen nochmaligen Fortschritt. War ja nicht auszuschließen, dass die erste Behandlung das Saugen unterstützt hatte. Aber leider schien die Behandlung gar nicht anzuschlagen – Vincent brüllte wieder bei fast jedem Versuch, ihn anzulegen.

8. Juli

Nachdem jede Mahlzeit des Tages ein Kampf gewesen war und ich das Gefühl hatte, meinem Kind Gewalt anzutun, rief ich die Stillberaterin an. Ich mochte nicht mehr abpumpen, lieber wollte ich die Zeit mit meinem Kind verbringen, statt es nur mit dem Fuß im Stubenwagen zu schaukeln, wenn es brüllte und ich an der Pumpe hing. Wir besprachen die Umstellung auf Flaschenmilch und die Stillberaterin meinte, die HA-Nahrung, die ich im Haus hatte, würde manchen Kindern nicht besonders schmecken, so dass Probleme auftauchen könnte. Ich sollte zunächst die noch vorhandene Muttermilch im Wechsel mit der Flaschenmilch verfüttern. Ich beobachtete, dass Vincent die Muttermilch tatsächlich viel zügiger und fröhlicher trank als die HA-Milch. Daraufhin bot ich ihm aus der Flasche nur noch HA-Milch an, wenn er Muttermilch haben wollte, sollte er sie sich aus der Brust holen. Und siehe da, das tat er auch! Mit dem Pumpen hörte ich aber sofort auf. Es ging mir gleich viel besser und ich hatte auf einmal so viel Zeit!

So hangelten wir uns wieder eine Woche weiter, zunächst bekam er erst die Flasche, dann die Brust, später dann umgekehrt. Er trank immer weniger aus der Flasche, immer mehr aus der Brust und hatte immer weniger Schreianfälle dabei. Es ging also zwei Schritte vor und einen zurück.

15. Juli

Bei einem erneuten Termin mit der Stillberaterin beschloss ich, erst einmal so weiter zu machen. Die Pumperei war ich los, Fläschchen waschen und sterilisieren müsste ich ja auch, wenn ich abgestillt hätte, und so bekam der Kleine wenigstens noch einen Teil Muttermilch. Da es sehr heiß war, bekam Vincent nachmittags Tee aus dem Fläschchen, nachdem er Flasche und Brust geleert hatte. Da kam mir die Idee, ihm von nun ab aus dem Fläschchen keine HA-Milch, sondern nur noch Tee anzubieten, was ich in der Folge auch tat. Wenn er sättigende Milch wollte, musste er eben an der Brust bleiben. Und wieder trickste ich ihn über den Geschmack aus: in den folgenden 24 Stunden trank er ausschließlich von der Brust! Wir hatten es geschafft! An Vincents 37. Lebenstag wurde er zum Stillkind, nachdem die Hebamme, die Stillberaterin und ich schon jegliche Hoffnung aufgegeben hatten!

Im Brustton der Überzeugung hab ich schon früh erklärt: Ich werde sie stillen, egal wie schwer das wird! Da ich immer mit dem Kopf durch die Wand gehe, ließ ich mich auf keine Diskussion darüber ein.

Geboren wurde die drei Mäuse SSW 34+4. Es ging ihnen gut. Das war das erste, was ich hörte. Das erste, was ich dann einen Tag später sah, waren so winzige Babies, dass ich dachte, das können nicht meine sein.

Dann hörte ich, sie hätten unter anderem keinen Saugreflex, müssen zunächst mal per Magensonde ernährt werden. Das hab ich nicht so leicht weggesteckt.
Nichts desto trotz, ich blieb dabei. Stillen, sobald man es mir erlauben würde.

Wegen Bettenmangel auf der Wöchnerinnenstation kam ich nach dem KS wieder auf die Frauenstation zurück, wo ich schon wochenlang vor der Geburt gelegen habe.

Man stellte mir eine Pumpe ins Zimmer, zeigte mir deren Handhabung und teilte mir mit, dass Muttermilch sehr wichtig für Frühgeburten sei. Ich pumpte alle drei Stunden ab und ließ mich nachts dafür wecken.
„Herrjeh, schlafen Sie sich doch erst mal richtig aus!“, Kommentar der Nachtschwester.
„Als ob man das aufschieben kann mit dem Milcheinschuß.“, dachte ich angesichts dieses Kommentars.

Das nächste, was dann geschah, war, dass ich am zweiten Tag einen Anruf von einer Schwester der Neugeborenen-Intensiv-Station bekam, die fragte, wo denn die Milch bliebe. Und nach Nachfragen musste ich von den Schwestern der Frauenstation hören, dass man solche Minimalmengen (5 – 10 ml der wertvollen ersten Milch) einfach weggeworfen hätte. Das hätte sich ja nicht gelohnt.
Ich fühlte mich so wütend, hilflos dem ausgeliefert, dass ich nicht reagieren konnte.

Geregelt wurde das dann vom Personal der NEO, denen ich das mitteilte.

Relativ schnell durften die Kinder den Brutkasten verlassen und kamen in Wärmebetten. Dann durften wir sie auch alleine rausnehmen und legten sie uns das erste mal auf den nackten Oberkörper. Dieses Gefühl war einfach nur wunderschön und nicht mit Worten zu beschreiben. Glück pur! Und es führte dazu, dass sich meine Milchmenge beim Abpumpen schlagartig verdoppelte. Das spornte mich an.

Das Füttern per Flasche kam dann auch innerhalb der ersten Lebenswoche und klappte mit gewissen Schwierigkeiten doch ganz gut. Die Kinder tranken sehr langsam, schliefen immer wieder ein. Was ich aber für völlig normal hielt.
Aber „normal“ sieht auf vielen NEO`s anders aus.

Mengenvorgaben und festgelegte Fütterungszeiten. Im Klartext hieß das, das Füttern sollte nicht zu lange dauern und die Mindestmenge musste eingehalten werden. Somit wurden die Kinder immer wieder nachsondiert. Wie sich auf diese Weise ein natürliches Hunger- bzw. Sättigungsgefühl entwickeln soll, ist dabei sehr fraglich.

Als die Kinder ca. 3 Wochen alt waren, meinte bei der Visite der Chefarzt plötzlich, sie könnten dann Anfang der darauf folgenden Woche nach Hause.
Ich fiel aus allen Wolken, denn ich wartete ja immer noch auf das OK fürs Stillen. Und ich bin davon ausgegangen, dass mir zumindest in dieser Zeit noch Unterstützung geleistet würde, weil ich es mir eben nicht so einfach vorstellte.

Ungefähr zum selben Zeitpunkt erfuhr ich von der anderen Drillingsmutter, deren Kinder ebenfalls auf der NEO lagen, beunruhigende Nachrichten. Sie pumpte auch noch ab, weil ihre Kinder noch früher zur Welt kamen und noch nicht kräftig genug für das Stillen oder gar Flasche waren. Sie hatte nebenbei mitbekommen, dass man in unser beider Fälle gar nichts davon hielt, dass wir es überhaupt mit dem Stillen versuchen. Da muss es einen auch nicht wundern, dass es nicht vorwärts ging.

Also nahm ich am nächsten Tag die Dinge eigenständig in die Hand. Wie üblich bin ich morgens auf der NEO erschienen, schnappte mir das erste wache Kind und verschwand mit ihm (L.) im Stillzimmer. Dort angekommen, legte ich ihn einfach an. Und als ob das kleine Kerlchen nie etwas anderes getan hätte, dockte er an und trank mit einem kräftigen Sog. Völlig easy! Und nicht nur easy! Ich hätte versinken können in dem Anblick meines Kindes, dass so wunderschön war, winzig und fast in meinem Arm verschwand. Mir kam der Mund viel zu klein vor, um die Brustwarze fassen zu können. Ich hätte ewig so da sitzen bleiben können und einfach nur staunen.

Im nächsten Moment erschien eine Schwester, schaute ganz erstaunt und fragte dann, ob ich ihn vorher gewogen hätte.
„Nein, habe ich nicht!“
„Wir müssen aber doch wissen, wie viel er an der Brust trinkt. Sie müssen ihn vorher und nachher nackt wiegen!“ meinte sie pikiert.
„Tja, hätten Sie mich mal in die Materie eingeführt, hätte ich das wohl gewusst. Dieses mal wird’s wohl auch ohne Wiegen gehen müssen. Ich höre jetzt nämlich ganz sicher nicht auf!“ entgegnete ich.

Als ich dann mit L. fertig war, holte ich mir J. Das lief dann nicht so einfach ab. Er wollte einfach die Brustwarze nicht nehmen. Ich wurde nervös, er war hungrig und fing an, zu schreien. Nichts klappte. Ich war dem Heulen nahe und total unglücklich. Unser Glück zu dem Zeitpunkt war, dass ich im Stillzimmer nicht allein war. Und die andere Mutter dort bekam just in dem Moment Besuch von einer Stillberaterin. Diese kümmerte sich dann erst mal um mich und J.

Es endete damit, dass ich zunächst mal ein Stillhütchen bekam. Das nahm J. an und trank dann doch ganz ordentlich. Ihn hab ich übrigens ebenfalls vergessen, vorher zu wiegen. Das sollte mir noch ganz oft passieren.

Da das Stillen nun mal länger dauert als eine Flaschenfütterung, kam kurz darauf eine Schwester rein und meinte, sie würde derweil Kim schon mal füttern. Und verschwand, bevor ich etwas entgegnen konnte. Ich fand das nicht ok, war aber auch nicht in der Lage, mich dagegen zu wehren.

Während ich J. stillte, gingen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Wie soll das überhaupt mit dem Stillen auf der NEO klappen? Da ich ja hin und wieder etwas Schlaf brauchte, musste ich zwangsläufig nachts nach Hause. Es gab im KH keine Gelegenheit, mich gelegentlich mal hinzulegen, so dass ich zu allen Mahlzeiten da gewesen wäre.

Das wiederum bedeutete, ich könnte sie zwar tagsüber stillen, nachts hingegen würden sie die Flasche bekommen. Und ich fragte mich, ob das so überhaupt klappen könnte. Egal, wie viel ich darüber nachdachte, es gab keine Lösung für dieses Problem.

Zweites Problem waren die vorgeschriebenen Fütterungszeiten. Ich konnte es nicht schaffen, alle drei nacheinander im Krankenhaus zu stillen, weil das deren Zeiten überschritt und deren Ablauf durcheinander brachte. Dazu trug auch das fürchterliche Wiegen vor und nach dem Stillen bei. Man zieht so einen Winzlinge nicht mal eben so aus. Das dauert seine Zeit, wenn man vorsichtig dabei ist, um ihnen wegen der venösen Zugängen nicht weh zu tun.
Ausziehen, Anziehen, Stillen, wieder Ausziehen und wieder Anziehen. So etwas nimmt Zeit in Anspruch.

Viel später, schon lange zuhause, durfte ich dann auch feststellen, dass es prägt, wenn man so auf Mindestmengen „geeicht“ wird.

Also lief es darauf hinaus, dass ich jedes Mal nur zwei Kinder stillte, dabei nach meinem Plan rotierte, so dass jedes Kind mal an die Brust kam.
Das war ein totaler Krampf, vor allem, wenn die Kinder zeitgleich wach wurden. Ich wollte alle füttern, musste aber dann eines den Schwestern überlassen. Das tat ich nur äußerst ungern. Denn nachdem die Kinder gefüttert und gewickelt waren, wieder im Wärmebett, sollte ich sie tunlichst dort lassen!

Am nächsten Tag dann versuchte eine Schwester, mir beim Stillen zu helfen. Dieses mal zeigte sie mir Tandemstillen. Ich legte K. an, die ja bisher noch nicht gestillt wurde, und die Schwester legte mir dann L. an und ging. Mutterseelen alleine saß ich dann im Stillzimmer und stillte. Besser gesagt, versuchte es. Ich traute mich nicht, mich zu bewegen. Und es kam, wie es kommen musste. K. hatte Schwierigkeiten. Immer wieder verlor sie die Brustwarze. Und jedes Mal, wenn ich ihr half, rutschte J. die Brustwarze raus. Wieder wurde ich unruhig und nervös. In dem Moment wünschte ich mir, nicht auf einer Couch zu sitzen, sondern auf dem Boden. Ich hatte tierisch Angst, dass mir ein Kind runterfallen würde.

K. schrie bereits aus vollem Hals. Irgendwie gelang es mir dann, sie mit einer Hand auf die Seite neben mir zu legen und positionierte J. dann anders. Wiederum mit einer Hand versuchte ich mein Glück, K. wieder hochzunehmen, um sie anzulegen. Nichts ging!

Also legte ich sie wieder beiseite, tröstete sie, so gut es ging und stillte J. zu ende. Ich hätte heulen können, weil K. so weinte. Immerzu dachte ich, gleich kommt eine Schwester rein und nimmt sie dir weg. Dann erst versuchte ich, K. alleine zu stillen. Aber selbst alleine, mit beiden Händen zur Verfügung, rutschte ihr immer wieder die Brustwarze raus. Kurzerhand nahm ich dann wieder ein Stillhütchen und daraufhin klappte es bei ihr auch.

Ich habe nie so ganz verstanden, warum J. und K. ohne Stillhütchen nicht stillen konnten. Wohl doch eine Verwirrung wegen Flaschensauger? Dabei blieb es aber während der ganzen Stillzeit.

Ich war stinksauer auf die Schwester, die mich dort so alleine sitzen ließ und habe bis heute die Angst nicht vergessen, es könnte mir ein Kind runterfallen. Erst zuhause hab ich dann einen weiteren Versuch des Tandemstillens gewagt – auf dem Boden! Aber auch das klappte nicht.

Einige Tages darauf erschien ich morgens, wie üblich gegen 7 Uhr, auf der NEO, brachte die abgepumpte Milch der Nacht mit und füllte sie um. Eine Schwester erschien und teilte mir im Vorbeigehen mit, dass die Kinder sich heute früher gemeldet hätten und bereits gefüttert seien. Wusch, weg war sie. Ich reagierte überhaupt nicht, füllte weiter die Milch um. Dann ging ich ins Stillzimmer, ohne Kind. Dort hab ich eine Weile gesessen und fühlte mich völlig betäubt. Ich saß einfach nur da und meine Brüste taten weh. Ich hatte meine Pumpe nicht dabei und benutze dann die Pumpe der Station. Diese wiederum funktionierte bei mir nicht. Die ganze Milch lief überall runter, nur nicht dorthin, wo sie hinsollte. Dann fing ich an zu heulen und war völlig neben mir, zitterte am ganzen Körper.

Eine Schwester kam rein und fragte mich, was denn los sei. Ich schaute sie nur an und sagte ihr, sie solle mich in Ruhe lassen. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie diese Leute mit mir umgingen. Ich war aber auch nicht fähig, mich zu wehren, was so gar nicht meine Art war. Ich fühlte mich so mies, weil ich nicht ich selbst war.

Kurz darauf kam die Stillberaterin. Mit ihr unterhielt ich mich über den Vorfall. Sie erzählte mir, dass das leider kein Einzelfall sei. Die Pumpen funktionieren bei keiner Frau, die einen etwas größeren Busen hat. Die Art und Weise, wie Eltern auf der Frühchenstation behandelt werden bezüglich Stillen sei mittelalterlich usw. Nach einer Weile hab ich sie gebeten, mich allein zu lassen. Ich wollte einfach nur alleine sein.

Sie muss wohl mit dem Stationsarzt darüber geredet haben. Denn dieser erschien eine Weile danach und meinte, sie würden mich beim nächsten mal anrufen, wenn die Kinder sich früher melden würden. Schließlich brauchte ich nur 10 Minuten, um von zu hause ins Krankenhaus zu fahren. Damit war das Thema dann erledigt. Mich hat das noch lange emotional verfolgt.

Einige Tage darauf hab ich wiederum so nebenbei mitbekommen, dass die Kinder nachts nicht mal die Flasche bekamen, sondern von den nur zwei Nachtschwestern lediglich sondiert wurden, weil das eben schneller ging. Aufgefallen ist das, nachdem ich mich mal wieder mit der anderen Drillingsmutter unterhielt. Sie fragte mich, ob meine Kinder morgens auch so schwer sauber zu machen seien. Der Stuhl wäre ganz trocken und man müsse richtig reiben, um ihn abzubekommen. Ich bestätigte das. Der Gedanke lag nahe, dass die Kinder nachts nicht gewickelt wurden. Denn ansonsten war der relativ flüssige Stuhl immer leicht sauber zu machen. Sie erzählte mir dann, wie die Kinder nachts gefüttert werden, weil sie wegen des Stuhl einfach mal länger dablieb, um sich die Nachtschwestern mal anzusehen.

Da die Kinder aber bereits zwei Tage danach entlassen werden sollten, und ich zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich genervt von der Station war, unterließ ich es, dagegen etwas zu unternehmen. Ich nahm mir allerdings vor, einen Brief zu schreiben mit all meinen Eindrücken. Aber erst, wenn ich etwas Abstand von den Dingen gewonnen hätte. Es war mir wichtig, dass ein solcher Brief als Hinweis verstanden wird, nicht als Kritik und im Müll landet.. Ich bin bis heute nicht fähig, diesen Brief zu schreiben. Warum das so ist, kann ich nun, 2,5 Jahre danach, noch nicht mal in Worte fassen. Ich habe es immer noch vor.

Dann kam der wundervolle Tag, wo wir unsere Kinder mit nach Hause nehmen durften. Vor lauter Aufregung blieb mir morgens die Milch weg. Schlagartig war ich in Panik. Aber ich erinnerte mich daran, dass mir das an meinem Entlassungstag aus dem Krankenhaus eben so ging und beruhigte mich erst mal wieder. Mein Mann fuhr mich morgens ins Krankenhaus und sollte mich dann mit den Kindern am Nachmittag abholen.

An diesem Tag hab ich demonstrativ keines der Kinder gewogen, zog ihnen eigene Sachen an und machte ausschließlich mein Ding. Ich fühlte mich wunderbar!! Zur Fütterungszeit kam die Milch dann auch wieder, gottlob. Es war mir egal, ob das Füttern der Kinder zu lange dauerte, ich nahm alle drei mit ins Stillzimmer und blieb dort. Dieses mal hakte niemand nach, ob ich denn alles nach Vorschrift gemacht hätte. Sicher brauchte ich lange dafür, aber das wäre ja zuhause nicht anders.

Der Tag war aufregend und beinhaltete so vieles. Die Freude darauf, dass die Kinder endlich UNSERE Kinder wurden. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Ich hatte vorher einfach nicht das Gefühl, dass es meine Kinder seien, da ich an so vielen Entscheidungen nicht beteiligt war, für so vieles erst fragen musste. Das ist schwer zu beschreiben. Aber auch eine unterschwellige Angst war vorhanden. Angst davor, es alleine zu schaffen zu müssen, ohne den Rückhalt des Personals. Das nicht so sehr wegen dem Stillen, sondern wegen diffuser , nicht greifbarer Ängste.

Es stand auch noch ein Pressetermin aus. Zweimalige Drillingsgeburt sollte doch in die Zeitung, meinten die Ärzte. Meine Bekannte und ich haben überlegt, ob wir das mitmachen. Aber die beiden Leute von der örtlichen Zeitung haben uns versichert, dass unsere Aussagen Wort für Wort übernommen werden, nichts hinzugefügt und nichts weggelassen. Und sie hielten Wort.

Es war sehr komisch, mit anzusehen, wie sehr der Fotograf schwitze, denn er war die hohe Raumtemperatur ja nicht gewohnt und hatte einen dicken Pulli unter dem Krankenhauskittel an. Er hielt sich gut *grins*.

Die Bilder und die Anzeige sind sehr schön geworden und dienten uns als Geburtsanzeige für alle Verwandten und Bekannten.

Endlich war es dann soweit: Wir durften gehen. Es gab noch ein Abschlussgespräch und dann verließen wir die Station. Wir nahmen uns noch die Zeit, uns von den Schwestern und Ärzten der Frauenstation sowie von den Hebammen zu verabschieden.

Und dann ging es nach Hause.

Wir hatten unsere Verwandten gebeten, an diesem Tag bitte nicht zu erscheinen, denn wir wollten uns in Ruhe in den neuen Ablauf einfinden. Und wie Verwandte so sind, hielten sie sich nicht dran und erschienen kurz nach uns bei uns zuhause. Somit hatten wir volles Haus.

Mein Mann und ich, drei Babies, unsere beiden älteren Töchter und dann noch Oma, Tante und Onkel und Hund.

Jedenfalls durfte unser Hund als allererstes die Kinder begutachten. Er wedelte aufgeregt, schnüffelte sie ab und freute sich offensichtlich.
Ansonsten konnte er nichts mit ihnen anfangen. Das ist heute noch so.

Nach einer halben Stunde voll: „Ach Gott, sind die süß!“, „Meine Güte, sind die winzig!“ Bla bla Bla hatte ich die Nase voll, schnappte mir zwei der Kinder und verschwand in mein Schlafzimmer. Holte noch das Dritte und bat mir aus, mich in Ruhe zu lassen. Verwandte blieben beleidigt unten. Auch daran sollte sich nicht viel ändern in den nächsten Monaten.

In meinem Bett dann stillte ich L. und   K. nacheinander und J. bekam anschließend die Flasche. Aus heutiger Sicht denke ich, ich hätte ihn einfach auch stillen sollen. Warum ich dachte, die Menge würde nicht reichen, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Meine Kenntnisse über den Stillvorgang waren sicherlich unzureichend. Aber trotz Stillberaterin und Nachsorge-Hebi bekam ich auch keine anderen Infos. Es würde dauern, bis die Menge für alle drei reichte, hieß es.

Nun, das Rotieren zwischen Flasche und Stillen ergab jedenfalls keine Schwierigkeiten, außer eben, dass es beim Stillhütchen blieb. Das machten die Kinder ansonsten problemlos mit. Und auch der Schnuller, der ihnen im Krankenhaus angewöhnt wurde (um den Saugreflex zu unterstützen hieß es) bereitete den Kindern keine Schwierigkeiten in Bezug auf das Stillen.

Relativ schnell stellte sich dann heraus, dass ich den 4-Stunden-Rhythmus des Krankenhauses nicht halten konnte. Die Kinder waren ca. alle drei Stunden hungrig. Ich hab viel darüber nachgedacht, warum das so war. Lag es an der Menge? Ja, Menge blieb ein Thema und es hat lange gedauert, bis ich mich davon lösen konnte. Bis ich gelernt hatte, dass sie das nehmen, was sie brauchen, nicht mehr und nicht weniger. Oder lag es daran, dass man im Krankenhaus ein Kind einfach nachsondierte, wenn die gewogene Menge nicht der Mindestmenge entsprach?

Ich sollte es nicht herausfinden, es war auch einer der vielen überflüssigen Gedanken, die einem das Leben nur schwer machen.

Ich habe das Wiegen vor und nach jeder Mahlzeit unterlassen, es hätte ohnehin meinen Zeitrahmen gesprengt. Ich wog sie einmal abends. Anhand der Mengen in den Flaschen konnte ich sehen, wie viel die Kinder tranken. Es pendelte sich in den ersten Wochen um die 50 – 60 ml ein. KH-Mengen waren 70-80 ml. Und noch ein Gedanken war in meinem Kopf, der überflüssig war.
Meine beiden älteren Töchter, tranken in dem Alter bereits 150 – 200 ml. Noch so ein absurder Gedanke, den man nicht zum Vergleich heranziehen konnte. Die beiden Großen waren keine Frühchen. Aber auch wenn man noch so gut weiß, dass man nicht vergleichen sollte, der Gedanke war da.

Nachdem die Kinder in der ersten Woche zuhause kaum zunahmen, wurde ich dann noch von der Kinderärztin verunsichert. Sie müssen mehr trinken! SCHREI!

Ja wie denn? Wenn sie aufhören zu trinken, hören sie auf.

Also versuchten wir, ein Kind, das beim Stillen einschlief, wieder zu wecken. Es zu animieren, doch weiter zu trinken. Hin und wieder taten sie das auch. Aber man konnte sich drauf verlassen, dass auch genau diese Menge dann wieder herauskam. Also ließen wir das wieder sein.

Dann versuchte ich, sie alle zwei Stunden anzulegen. Aber versuch mal ein Kind, das noch keinen Hunger hat, zum Stillen zu animieren. Auch das klappte nicht.

Irgendwann gab ich diese Versuche auf und verließ mich auf darauf, dass die Kinder sich melden, wenn sie Hunger haben. Und das taten sie auch.

Ich hatte großes Glück, dass sie uns das Füttern nach Bedarf leicht machten. Denn sie meldeten sich pünktlich alle drei Stunden. Erst eines, während dem Stillen das Zweite, das durch Schnuller gut warten konnte. Und Nr. drei pünktlich danach für die Flasche. Aber es kam auch vor, dass ein Kind eben nicht warten konnte. Das war ein riesengroßes Problem. Wenn dieses Kind zu lange warten musste, hat es die Nahrung komplett verweigert und musste dann stundenlang umhergetragen werden, beim Tragen dann gaaaaaaaaaaaaanz langsam dazu animiert werden, zu trinken. Somit saß mir immer die Zeit im Nacken. Richtig entspannt war ich bei der Sache wohl nie. Während dem Stillen hatte ich immer ein Auge und ein Ohr auf die beiden anderen Kinder und hoffte: „Bitte, bitte, schlaft noch ein bischen!“

Tagsüber gelang mir das Stillen meist gut, auch wenn eine komplette Fütterungszeit gut 2 bis 2,5 Stunden dauerte. Mir blieb dann ca. eine halbe Stunde, bis es wieder von vorn losging. Oft allerdings hatte ich mehr Zeit, wenn mein Mann oder meine Töchter da waren. Diese haben dann das jeweilige Flaschenkind gefüttert.

Meistens saß ich dann irgendwo auf der Couch beim Stillen und döste dabei weg. Ansonsten bin ich generell, wo ich ging und stand, weggedöst. In der Zeit zwischen den Mahlzeiten machte ich im Sausetempo den Haushalt, so weit es eben ging. Nur das Nötigste. Ich konnte einige Dinge nicht liegen lassen, bis meine Töchter von der Schule oder Ausbildung wieder zu hause waren. Hin und wieder musste ich mich um kleinere und größere Liebeskatastrophen meiner Töchter kümmern, was dann entweder während des Stillens geschah oder mich Schlaf kostete. Mein Mann war völlig außen vor. Gespräche gab es zu der Zeit kaum, weil ich ständig dabei einschlief. Er hat es mit Fassung genommen, war lediglich besorgt um mich.

Eine zusätzliche Schwierigkeit war die Krankengymnastik. Möglichst wache und gefütterte Kinder zu den Terminen zu bringen, war fast unmöglich. Das setzte mich obendrauf unter Druck und war im Prinzip auch wieder völlig überflüssig. Ich kann nur das, was ich kann.

Nachts hingegen war alles schwieriger. Die Kinder alle drei schliefen in einem Bett direkt neben meinem Bett. Sich aufzuraffen, wenn die Kinder sich meldeten, fiel mir von Tag zu Tag schwerer. Ich bin immer innerhalb von Sekunden rechtrecht aus dem Bett gesprintet. Ganz oft sogar bin ich wach geworden und wach von Null auf Hundert stinksauer. Worauf dann gleich ein schlechtes Gewissen einsetzte. Wie kann man sauer auf so kleine Kinder sein. Aber ich war so müde, so erschöpft. Es blieb nie die Zeit, über die Gefühle nachzudenken, mit jemanden drüber zu reden.
Aufstehen, stillen, hinlegen.
Aufstehen, füttern, hinlegen.

Geschlafen hab ich ca. zwei- bis dreimal eine halbe Stunde in der Nacht, manchmal mehr. Je nachdem, wie früh ich ins Bett ging. Wenn mein Mann da war, dann eine ganze Stunde, weil er dann das dritte Kind fütterte. Das heißt, sofern ich ihn wach bekam, denn er hat einen begnadeten Schlaf und wachte nicht mal von allein auf, wenn drei Kinder gleichzeitig schrien.

Irgendwann ergab es sich dann, dass ich mir ein Kind schnappte, versuchte dieses zu stillen. Und es weigerte sich beharrlich, zu saugen. Ich wurde völlig nervös, war frustriert. Ich kann mich noch erinnern, dass ich dachte: „Himmel Kind. Das kann ich jetzt nicht gebrauchen. Trink einfach!“ Während dessen schrie bereits Nr. 2 und ich wurde noch nervöser. Es hat eine kleine Ewigkeit gedauert, bis in meinem erschöpften Hirn der Gedanke auftauchte, dass ich dieses Kind bereits gestillt hatte. Himmel, bin ich mir dämlich vorgekommen.

Da versuchte ich ein Kind zu stillen, das bereits satt war und ließ das Kind schreien, welches eigentlich dran war. Das war die Zeit, wo ich Fütterungslisten einführte, damit mir das nicht wieder passierte. Fütterungsplan, so was wollte ich nie haben. Und meistens kommt es anders als man will.

Es gab auch Zeiten, wo wir herzhaft gelacht haben. Mein Mann hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, sich abends (wenn es von den Schichten her ging) mit allen drei Kindern auf dem Oberköper auf der Couch hinzulegen. Ein wunderschönes Bild, wenn man es sah.

Und einmal wurde ich von ihm gerufen: „Schaaaaaaaaaaaaatz!! Was soll ich denn jetzt machen?“ rief er. Ich ging hin und kuckte. Da lag K. auf seinem nackten Oberkörper, eingerahmt von ihren beiden Winzlingsbrüdern, hatte Papas Brustwarze gefunden und nuckelte daran. Hab ich gelacht.

„Lass sie doch einfach! Sie hat doch keinen Hunger und nuckelt nur“ meinte ich und ließ die vier wieder alleine. Allerliebster Göttergatte hat sich auch daran gewöhnt und fand es insgeheim doch ganz schön.

Das Stillen klappte soweit gut, auch wenn die Kinder schnell dabei erschöpft waren, lange für eine Mahlzeit brauchten. Auch wenn ich das mit der Menge fürs dritte Kind hin hinbekam. Aber ich stellte mir schon die Frage, wie ich das durchhalten sollte. Ich stellte mir die Frage, ob es mal anders würde. Vage hatte ich in Erinnerung, dass Kinder irgendwann schneller trinken und evtl. länger bis zur nächsten Mahlzeit durchhalten würden. Mit nur einer halben bis einer ganzen Stunde dazwischen konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass man das lange durchhält.

Ungefähr zu dem Zeitpunkt, wo die Kinder ca. 8 Wochen alt waren, veränderte sich alles. Plötzlich meldete sich eines der Kinder nach zwei Stunden wegen Hunger. Ich stillte ihn und dachte noch so: „Oh je, das haut alles durcheinander!“ Ich weiß, dass Stillen nach Bedarf richtig ist. Aber wenn einem zwischen den Mahlzeiten grade mal ca. eine halbe Stunde bleibt, um einen 130qm Haushalt zu versorgen, einzukaufen und wer weiß was, gerät man in Panik, wenn der Rhythmus durcheinander gerät. Ich geriet in Panik! Ich stand ohnehin immer unter einem enormen Druck, alles schaffen zu können. Was mir bis dahin gelang, wenn auch mein Zustand immer schlechter wurde und ich nach Auskunft meiner Töchter eine Pest auf zwei Beinen war. Warum Mütter so oft unter Perfektionismus leiden, weiß ich nicht. Aber ich hatte das Syndrom *grins*. Es wurde mir irgendwann von meiner Familie ausgetrieben. Aber das kam erst viel später.

Kurz darauf meldete sich auch Nr. 2 viel früher als sonst. Und so ging es weiter. Einen Tag lang stillte ich fast ununterbrochen. Ich fand keine Zeit mehr, etwas zu essen, mir einen Tee zu kochen. Ging sogar mit einem Kind an der Brust auf die Toilette.

Ich denke, es war meinem allgemeinen Erschöpfungszustand zuzuschreiben, dass ich nicht erkannte, dass es sich wohl um einen Wachstumsschub handelte. Ich war zu dem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr denkfähig. Ich hatte sogar sprachliche Schwierigkeiten. Mitunter fehlten mir in Unterhaltungen einfach Wörter. Mitten im Satz konnte ich ein Wort, ein einfaches Wort nicht abrufen. Oder ich hörte einfach auf, zu reden und bekam das nicht mit. Darüber denke ich nicht mehr gerne nach. Es hat mich seinerzeit total erschreckt.

Am zweiten Tag, wo die Kinder noch immer unaufhörlich an der Brust waren, bekam ich Fieber. Ich rief meine Hebi an, bekam aber niemanden an die Strippe. Mein Fieber stieg und wir entschieden, ins Krankenhaus zu fahren. Die Kinder blieben so lange bei unseren beiden Töchtern.

Die Ärztin im Krankenhaus stellte einen Milchstau fest. Die eine Brust tat auch ziemlich weh, was ich bis dahin ignoriert hatte. Sie meinte, sie müsse mich stationär aufnehmen. Als ich sie fragte, wie das mit den Kindern gehen sollte, meinte sie lakonisch, die kämen dann wieder auf die NEO. Das hab ich dann kategorisch abgelehnt.

Daraufhin meinte sie, sie würden mir die Brust ausstreichen, ich solle erst mal im Stillzimmer abpumpen. Wieder diese dusselige Pumpe, wo bei mir nichts funktionierte. Es tat höllisch weh. Ich strich die Brust dann selbst aus, irgendwie halt.

Dann kam die Ärztin wieder, gab mir ein paar Medikamente wegen dem Fieber und meinte, so lange wie das Fieber so hoch sei, dürfte ich die Milch den Kindern nicht geben. Wenn es nicht besser würde, sollte ich wieder kommen. Dann müsse ich stationär bleiben. Ich frage mich bis heute, wie man einen Milchstau bekommen kann, wenn man ohne Pause stillt. Ob es am Stillhütchen lag?

Also gingen wir nach Hause. Dort haben die Kinder dann alle die Flasche bekommen. Ich pumpte die Milch ab und schüttete sie weg. Das tat weh. Das Fieber blieb unter Medikamenten niedrig. Am nächsten Morgen rief dann meine Hebi zurück, hörte sich alles an und kam dann vorbei.

Sie brachte mir Quark mit, zeigte mir, wie ich einen Quarkwickel machen könnte. Das machte ich dann diesen Tag und in der Nacht und pumpte weiter ab. Am nächsten Morgen kam sie wieder vorbei. Die Brust war besser geworden, die Milch weniger. Ich hatte wieder hohes Fieber und Schüttelfrost. Ich unterhielt mich dann mit ihr, wie es weiter gehen könnte.

Und nun müsst ihr euch folgende Situation vorstellen. Mein Mann war da, meine Mutter auch und die Hebi. Alle redeten über die Sache, als ob ich gar nicht dabei wäre. Ich hielt mich irgendwie aufrecht, wurde von Schüttelfrost geplagt. Meine Mutter war von jeher der Typ, der nichts von Stillen hielt. Stillen könne ein Kind nicht wirklich ernähren. Flaschen wären da besser, einfacher. Und vor allem könne man die nach einiger Zeit mit Schmelzflocken andicken und schon schläft jedes Kind durch. *kotz* Solche und ähnliche Aussagen von ihr hab ich beharrlich ignoriert, aber sie nagten an meinem erschöpften Selbst.

Mein Mann war einfach nur besorgt um mich. Er hatte Angst, dass es mir gesundheitlich schaden könnte.

Hebi verhielt sich neutral. Sie fragte mich, ob ich denn weiterstillen wollte. Ich wollte und ich wollte nicht. Ich konnte es nicht beantworten. An dieser Stelle sollte ich vielleicht anfügen, dass von ihr nichts kam, hinsichtlich Wachstumsschub, was eine vorübergehende Sache ist. Das hätte geholfen. Ich war einfach nur fix und fertig, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Sie ging irgendwann und ich wurde weiter von meiner Mutter bearbeitet. Mein Mann äußerste immer wieder seine Bedenken wegen meines Zustandes. „Siehst du? Jetzt mit Flasche könnte ich dir auch viel mehr helfen!“ überflüssiger Kommentar meiner Mutter. Was dahinter stand, wusste ich genau. Gestillte Kinder kriegt man nicht so oft in die Hand, Flaschenkinder schon. Ich hasste sie in dem Moment, weil sie mir nicht half, so wie ich es brauchte! Ich hab ihr das bis heute nicht verziehen. Ich war auch sauer auf meinen Mann.
Niemand, nicht ein einziger Mensch hat jemals gesagt: „Halte durch, es lohnt sich! Es ist das was du möchtest und es ist das, was die Kinder brauchen!“

Mein Fieber stieg wieder an, mir ging es total schlecht. Konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten und legte mich mit Schüttelfrost wieder hin und war wie tot.

Und dann, einfach so, gab ich auf.

Wobei auch das wieder in einer Art und Weise ablief, die eigentlich nur eines zeigte. Nämlich, dass ich zu diesem Zeitpunkt einfach nicht denken konnte. Ich stillte natürlich ab. Beließ es bei L., der hin und wieder stillen dufte, wenn die Brust sich meldete. Er war das Kind, das am mickrigsten war, der meiner Ansicht nach am meisten brauchte. So ging die Milch nach und nach und schließlich war sie weg.

Ich war einfach nur traurig, fühlte mich als Versager. Ständig geisterte mir dieser Satz durch den Kopf „Blöde Kuh, nicht mal durchhalten kannst du!“

Später, viel später ging mir durch den Kopf, dass es ganz anders hätte laufen können. Ich hätte doch einfach nur ein Kind weiterstillen können, um die Milch zu halten. Aber der Gedanke kam zu spät.

Nach dem Abstillen hab ich mich nur sehr langsam erholt von dem Fieber. Meine Töchter und mein Mann haben daraufhin einige Nächte die Kinder komplett übernommen und ich schlief wie eine Tote. Meine Mutter wollte ich nicht sehen, hab meinem Mann gesagt, er solle sie abwimmeln. Tagsüber hatte ich immer ein schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber, konnte ihnen manchmal nicht in die Augen sehen. Über meine Gefühle hab ich nicht geredet seinerzeit. Ich hatte nie das Gefühl, dass irgendjemand in meinem Umfeld das verstanden hätte.

Es war vorbei und ich schloss es weg in eine der vielen Schubladen, die ich für solche Dinge habe.

Was das Stillen anging, war Felix am Anfang sehr schwierig. Auch Hebammen und Stillberaterinnen konnten teilweise nur noch mit den Schultern zucken. Wie ich es trotzdem geschafft habe, Felix zu einem ganz normalen Stillbaby zu machen, und welche Hürden es dabei zu nehmen galt, das möchte ich hier beschreiben. Vielleicht hilft’s ja mal einer betroffenen Mutter. Manch einer, der das liest, mag denken, ich sei verrückt. Ich bin es nicht – ich habe mir lediglich in den Kopf gesetzt, Felix zu stillen, da es einfach das beste für ihn ist und weil er ein erhöhtes Allergie-Risiko hat. Ein paar Wochen lang Stress war es mir wert, Felix den besten Start fürs Leben mitzugeben und eventuellen Allergien vorzubeugen. Na ja, außerdem – das weiß jeder, der mich kennt – bin ich kein Typ, der so leicht aufgibt!

Allen Frauen möchte ich aber mitteilen, dass diese extremen Probleme eine Ausnahme sind! Eine Stillberaterin hatte mich irgendwann ermuntert, es vielleicht doch mit Flaschennahrung zu probieren. Eine Hebamme und Stillberaterin meinte etwas später nach einem Besuch bei mir: „Ich wünsche Dir, dass Dein Bemühen doch noch irgendwann belohnt wird.“ Normalerweise würde eine Stillberaterin so etwas nie sagen, denn ihre Aufgabe ist es, die Frauen zum Stillen zu ermuntern.

Es fing schon nach der Geburt an: Felix ließ sich zwar an die Brust nehmen und den Mund öffnen, aber er dachte nicht daran, an der Brust zu saugen. Steckte man ihm einen Finger in den Mund, hat er munter drauflos gesaugt, aber mit der Brust wusste er offenbar nichts anzufangen. Die Nachsorge-Hebamme empfahl uns dann die Stillhütchen aus Silikon von Medela. Das probierten wir aus, und tatsächlich, Felix hat gesaugt! Er saugte immer über eine halbe Stunde lang und schlief dann ein, bevor ich ihm die andere Seite anbieten konnte. Im Stillhütchen war dann vorne immer eine kleine Milchpfütze. Daher nahmen wir an, dass Felix reichlich zu Trinken bekam. Er wurde dann aber schon bald sehr ungeduldig: er saugte und wenn er nicht sofort Milch bekam, dann protestierte er heftig und wollte eigentlich gar nicht mehr trinken. Wir erklärten uns das so, dass das Stillhütchen wohl erst mal voll laufen muss, bevor er etwas abbekommt, und dass er das wohl nicht abwarten kann. Also sorgte ich dafür, dass im Stillhütchen anfangs immer eine kleine Milchpfütze war. Nun klappte das Anlegen wieder etwas besser – wenn er nicht mit seinem Suchreflex (Kopf mit geöffnetem Mund hin und her bewegen) ständig das mit Milch gefüllte Hütchen wieder runterwerfen würde (was bedeutet, dass die Milchpfütze ausläuft und ich die ganze Prozedur erneut starten konnte). Manchmal dauerte es zehn Minuten oder länger, bis ich Felix erfolgreich angelegt hatte. Hebamme und Stillberaterin waren ratlos und so probierten wir es weiter, in der Hoffnung, dass es irgendwann besser klappen würde.

Als Felix etwa drei Wochen alt war kam dann die große Überraschung: er lag noch immer etwa 200 Gramm unter seinem Geburtsgewicht! Irgendwas stimmte hier also nicht! Er darf nach der Geburt zwar bis zu 10 Prozent seines Gewichts abnehmen, aber das Geburtsgewicht sollte er dann nach spätestens 10 bis 14 Tagen wieder erreicht haben! Zum Glück hatten wir schon einen kleinen Muttermilch-Vorrat, den ich mit Milchauffangschalen während des Stillens gewonnen hatte, im Eisschrank und tauten für Felix dann testweise 50 ml auf, die wir ihm nach dem Stillen in einer Avent-Flasche anboten. Gierig trank er in einem Zug die Flasche leer und protestierte dann heftig: er wollte mehr Milch. Warum hatte er diese 50 ml nicht aus meiner Brust getrunken? Wir waren ratlos und wendeten uns an die Stillberaterin. Sie riet uns, zunächst abzupumpen und Felix die Milch im Brusternährungsset von Medela anzubieten, damit er nicht anfängt die Brust zu verweigern. 450 bis 600 ml pro Tag sollte er bekommen (bei unter 7 kg Gewicht etwa 150 ml pro Kilo Körpergewicht). Ich pumpte ab und stellte fest, dass ich nur noch etwa 300 ml Milch pro Tag hatte. Nun hieß es möglichst 10 mal täglich 20 Minuten lang abpumpen, auch nachts (höchstens 6 Stunden Pause), um die Milchmenge zu steigern. Dann musste ich die abgepumpte Milch per Brusternährungsset verfüttern. Wenn man bedenkt, dass die Behälter auch noch gereinigt werden müssen, dann war ich also fünf Stunden (10 mal 30 Minuten) täglich mit Abpumpen beschäftigt. Felix wollte dann sechs bis sieben mal täglich gestillt werden. Das dauerte zu dieser Zeit immer etwa 60 Minuten oder länger. So habe ich im Schnitt sieben Stunden täglich gestillt. Natürlich hat auch Felix seine Windeln voll gemacht und auch Felix hatte seine Schrei-Zeiten und musste getragen werden. Ich weiß gar nicht, wie ich das geschafft habe, es war eine sehr schwierige Zeit, ich hatte kaum Zeit, selber etwas zu essen…

Irgendwann hatte ich mit Hilfe von Milchbildungstee (Kümmel, Anis, Fenchel und Brennnessel) und häufigem Pumpen meine Milchmenge wieder angepasst. Ich machte mir jeden Tag einen Liter Tee aus einem gehäuften Teelöffel dieser Kräuter und trank ihn über den Tag verteilt – das half! Bis meine Milchmenge wieder stimmte, tauten wir unsere Muttermilch-Vorräte auf. Da das knapp wurde und weil ich keine Industrie-Produkte zufüttern wollte, verdünnte ich die Milch manchmal mit abgekochtem Wasser (maximal 25 %). Solange Felix gut zunimmt (mindestens 150 Gramm pro Woche, besser 200 oder mehr), konnte das auch die Hebamme vertreten – und Felix nahm nun meist um die 200 bis 250 Gramm pro Woche zu.

Aber auch das Zufüttern der Muttermilch mit Hilfe des Medela Brusternährungssets war nicht einfach. Das Brusternährungsset besteht aus zwei dünnen Schläuchen (wie Magensonden), die aus einer Flasche kommen, die man sich um den Hals hängt. Die Schläuche werden dann mit Klebeband an den Brustwarzen befestigt. Das Baby soll den Schlauch dann beim Saugen mit in den Mund nehmen und so nicht nur Milch aus der Brust sondern auch aus dem Schlauch bekommen. Außerdem kann man den Schlauch, den man gerade nicht benötigt, abklemmen. Beim Saugen entsteht Unterdruck in der Flasche, der durch ein Ventil wieder ausgeglichen wird. Soviel zur Theorie. Das Ventil hat bei Felix leider nicht funktioniert, denn er hat nicht stark genug gesaugt, um den dafür nötigen Unterdruck zu erzeugen. Also haben wir nur einen Schlauch benutzt und den anderen mit Klebstreifen hochgebunden und als „Belüftungsschlauch“ verwendet. Nun galt es „nur“ noch, das Stillhütchen und den Schlauch in Felix Mund zu bekommen und ihn dazu zu kriegen, zu saugen. Das war schwierig! Meist war er so frustriert, dass er losgebrüllt hat. „Prima“, dachte ich „ein weit geöffneter Mund“, und steckte ihm alles passend hinein. Wenn er dann versuchte zu saugen, hat das Brusternährungsset leider meist nicht funktioniert, d.h. er hat keine oder fast keine Milch aus dem Brusternährungsset abbekommen – und fing erneut zu Schreien an. Ich habe dann durch Druck auf die Flasche oder durch vorsichtiges Blasen in meinen „Entlüftungsschlauch“ dafür gesorgt, dass ihm trotzdem Milch in den Mund läuft, aber mir war völlig unklar, warum es einfach nicht funktionieren wollte! In etwa einem von fünf bis zehn Fällen hat es plötzlich geklappt und er hat das Brusternährungsset innerhalb von 10 Minuten geleert. Aber warum es manchmal funktionierte und dann wieder nicht konnte ich mir nicht erklären.

Um herauszufinden, wo das Problem mit dem Brusternährungsset sein könnte, habe ich mir den Schlauch an den Finger geklebt und Felix dann meinen Finger in den Mund gesteckt. Nun hat er wieder gesaugt wie ein Weltmeister und war sehr frustriert, als die Flasche leer war. Ich probierte das mehrfach aus und stellte fest, dass es auch hier manchmal nicht sofort klappen wollte. Mit dem Finger konnte ich dann fühlen, dass er seine Zunge hinter meinem Finger hatte und so keinen großen Unterdruck aufbauen konnte. Jetzt war mir auch klar, warum es völlig sinnlos war, ihm die Brust mit Brusternährungsset zu geben, wenn er schrie: beim Schreien befindet sich seine Zunge immer weit hinten und wenn er dann lossaugte, lag die Zunge falsch. Nur leider war er meist so frustriert, dass er losschrie, wenn ich ihn stillen wollte. Ich gab ihm dann mehrmals die Milch mit dem Finger, um korrektes Saugen zu trainieren. Mit dem Finger hat man viel mehr Gefühl und Kontrolle als mit der Brust, insbesondere, wenn diese unter einem Stillhütchen verpackt ist.

Felix ist nicht dumm, er hat schnell gelernt: Finger sind lecker! Als ich ihn dann wieder mit Stillhütchen an der Brust füttern wollte, geschah folgendes: ich hielt das Brusthütchen fest, damit es nicht runterfällt. Felix merkte: Stillhütchen ist doof, daneben befindet sich ein leckerer Finger – und schnappte sich den Finger, der diesmal natürlich keine Milch mehr gab. Das passierte mehrfach, so dass ich mich entschied, ihm in Zukunft keine Milch mehr mit dem Finger zu geben.

Ich habe also weiter versucht, ihn mit dem Brusternährungsset zu füttern und ihm gegebenenfalls die Milch in den Mund fließen lassen, obwohl er falsch saugte. Zwar belohnte ich damit „falsches Saugen“, was meinem Mann sehr missfiel, aber aus meiner Sicht belohnte ich seine Versuche, an der Brust zu saugen und schon bald konnte ich ihn häufig ohne Geschrei anlegen. Immer öfter hatte er dann die Zunge richtig und saugte selbständig aus dem Brusternährungsset. Ich lobte ihn dann jedes Mal überschwänglich. Wenn er die Zunge falsch hatte, konnte ich ihn schließlich abnehmen und neu anlegen, ohne dass er in Geschrei ausbrach – und oft hatte er die Zunge anschließend richtig. Bald schon merkte unser schlauer Sohn, wo die tolle Milch her kam: aus dem Schlauch. Warum also das doofe Stillhütchen im Mund lassen – er spuckte es aus und nuckelte genüsslich am Schlauch! Das konnte ich ihm natürlich nicht durchgehen lassen – ich steckte in Zukunft den Schlauch ins Stillhütchen, damit er diesen nicht mehr als Nahrungsquelle identifizieren konnte.

Felix‘ Saugen wurde immer kräftiger und mit etwa fünf Wochen konnte ich ihn wieder normal an der Brust saugen lassen – allerdings nur mit Stillhütchen, denn mit der „blanken Brust“ wusste er weiterhin nichts anzufangen. Er machte beim Anlegen stets heftige Suchbewegungen und solange er kein Silikon zwischen seinen Lippen spürte, hörte er damit nicht auf. Er war offenbar der Ansicht, nur Silikon (oder ein Finger) würde ihm Milch geben. Wir wollten aber gerne von den Stillhütchen wegkommen. Ich beobachtete, wie Felix gelegentlich an unseren Armen schnullte und beschloss, dieses Verhalten auszunutzen. Als er das nächste Mal in der passenden Stimmung war, gab ich ihm statt meines Armes die Brust – und siehe da, er saugte! Ich wiederholte das mehrfach und schon bald begriff er, dass Milch auch ohne Silikon floss und ich konnte ihn immer häufiger ohne Stillhütchen stillen. Am 3. Oktober, mit gut sechs Wochen, haben wir das letzte Mal ein Stillhütchen benutzt, danach klappte es immer ohne dieses Hilfsmittel. Zwar war es in den ersten Tagen manchmal noch mühsam, ihn ohne Silikon anzulegen, aber es hat letztendlich immer geklappt.

Durch Felix‘ kräftiges Saugen bekam ich wunde Brustwarzen. Insbesondere das Ansaugen wurde extrem schmerzhaft. Vom Schmerzempfinden kann man sich das wie eine wässrige Wunde vorstellen, über die jemand mit den Fingern schabt. Der Schmerz hielt meist 1 bis 2 Minuten an und erzeugte irgendwie einen eigentümlichen Geschmack zwischen Lippen und Zahnfleisch, dann wurde es besser. Die Probleme begannen schon, als Felix noch mit Stillhütchen saugte. Als ich es kaum noch aushielt, nahm ich die Milchpumpe zur Hilfe: ich pumpte vorsichtig, bis das Gewebe bereits gut „vorgedehnt“ war und der Milchspendereflex einsetzte, erst dann durfte Felix saugen. Das machte die Prozedur erträglicher, aber die Brustwarzen blieben wund. Etwa Mitte Oktober, ca. 10 Tage, nachdem Felix das letzte Mal mit Stillhütchen saugte, entschloss ich mich, es zur Schonung meiner Brüste noch mal mit Stillhütchen zu probieren. Ich legte ihn an, aber er saugte nicht richtig – offenbar hatte er verlernt, mit Stillhütchen zu saugen. Also musste es auch ohne Hütchen gehen.

Abpumpen war weitaus weniger schmerzhaft als Felix direkt zu stillen. Um mich zu schonen, habe ich zwei seiner fünf täglichen Mahlzeiten abgepumpt und mit der Flasche gefüttert (oft hat das auch mein Mann übernommen). Bei den restlichen Mahlzeiten habe ich meistens eine Seite gestillt und die andere per Flasche zugefüttert. So verlernte er das Saugen an der Brust nicht und meine wunden Brüste wurden geschont. Wir haben die Avent-Flaschen verwendet und Felix kam mit dem Wechsel zwischen Brust und Flasche gut klar. Als Felix zehn Wochen alt war, war meine rechte Seite ziemlich schmerzfrei. Die empfindlichere linke Seite hat dazu etwa sechs bis acht Wochen länger benötigt, aber durch Flaschenfütterung oder „Vordehnen mit Hilfe der Milchpumpe“ war das für mich nicht mehr schlimm, da ich so kaum noch Schmerzen hatte.

Inzwischen klappt es auch bei uns mit dem Stillen genauso gut wie bei anderen Müttern. Mit etwa drei Monaten wollte Felix nicht mehr eine halbe Stunde oder länger pro Seite gestillt werden, sondern nur noch fünf bis zehn Minuten. Gleichzeitig hat er auch seine Saugtechnik umgestellt: er arbeitet nun mit viel weniger Unterdruck als früher und streicht stattdessen die Milch mit der Zunge aus, so wie er es soll. Das ist für ihn effektiver und für mich viel angenehmer! Wir hatten es geschafft!

Mit vier Monaten habe ich das letzte Mal meine empfindliche Seite aus Schmerzgründen abgepumpt, und zugleich fing Felix an, bis morgens um 6 oder 7 Uhr durchzuschlafen, nachdem er seine letzte Mahlzeit abends zwischen 22 und 23 Uhr bekam. Aber auch im Alter von 6 bis 8 Wochen hatte uns Felix nachts mehr Ruhe gegönnt: er kam dann nur noch einmal gegen vier Uhr morgens. Auch Stillkinder können also durchaus durchschlafen! Mit acht Monaten hat Felix übrigens 12 Stunden durchgeschlafen, zu dieser Zeit wurde er seit ca. einem Monat zugefüttert.

Ich habe Felix ausschließlich gestillt, bis er etwas über sieben Monate alt war. Danach haben wir zugefüttert: erst Gemüse, dann Obst, dann Brei (aus Muttermilch hergestellt, keine Kuhmilch, denn die soll er frühestens bekommen, wenn er ein Jahr alt ist). Und ich habe beschlossen, dass Felix stillen darf, solange er das möchte, denn ich denke, dass ihm die Muttermilch sehr gut tut und es sind auch immer sehr kuschelige Zeiten – für uns beide! Es ist so schön, wenn er strahlend vor Freude an-gallopier-gekrabbelt kommt, wenn er mich in unserer Still-Ecke sitzen sieht!

Als Felix 23 Monate alt war, hat er sich ganz von selber abgestillt. Ich war gerade im 4. Monat schwanger und vermute, dass ihm die Milch nicht mehr geschmeckt hat. Da er auch davor nicht mehr viel gestillt hat – meist 0 bis 2 mal täglich, je nach Lust und Laune – war das Abstillen auch kein Problem, für keinen von uns beiden. An „Brustwarzen abhärten“ und ähnliche Aussagen glaube ich heute nicht mehr, denn ich habe am eigenen Leib erfahren, wie urplötzlich die Schmerzen nachlassen, sobald das Baby eine andere Saugtechnik (mit Zunge ausstreichen statt einfach nur Unterdruck erzeugen) verwendet.

Zurückblickend denke ich, dass schon bei Felix‘ Geburt die ersten Fehler gemacht wurden. Ich kam mittags in den letzten freien Kreissaal, nachdem ich morgens – 12 Tage vor Termin – einen Blasensprung hatte. Felix war noch gar nicht auf Geburt eingestellt, aber nun musste er raus. Die anderen drei Kreissääle waren mit „langsam Gebärenden“ besetzt, bei mir hat sich der Muttermund dann aber nach einem Bad schön geöffnet. Danach wollte das Krankenhauspersonal nachhelfen, ich habe über eine PDA nachgedacht, stattdessen wurde mir Dolantin nahegelegt. Ich fragte noch, ob das meinem Kind was ausmachen würde, und war erleichtert, dass die Antwort ein entschiedenes „Nein“ war. Die Wehen kamen von Anfang an alle 1-2 Minuten und haben vielleicht 20 Sekunden angehalten. Irgendwann wollte ich pressen, aber nur „verhalten“, die Hebamme hat mich ermuntert, feste draufloszupressen. Vielleicht hätte ich lieber auf mein Gefühl vertrauen sollen, ich denke, wir waren beide noch nicht bereit für „feste pressen“. Es war wie bei einem sehr festen Stuhl, bei dem man erstmal verhalten preßt, aus Angst, dass es einen sonst „zerreißt“.

Die Wehen waren der Hebamme dann zu kurz, also legte sie mir einen Wehentropf. Felix kam schließlich nach nur ca. 5 1/2 Stunden Wehen auf die Welt – mit einer riesigen Beule am Hinterkopf, die aussah wie nach einer Saugglocken-Geburt. Ich versuchte, Felix zu stillen, aber statt mir zu helfen, wurde ich auf später vertröstet, wenn wir in der Kinderstation sind. Sicherlich wurde der Kreissaal benötigt, die anderen drei waren immer noch besetzt, ich hatte sie alle „überholt“, und das, obwohl Felix mein erstes Kind war.

Als wir dann endlich im Kinderzimmer waren und mir beim Stillen geholfen werden sollte, war Felix müde und wollte schlafen. Nachts war dann niemand da, der wirklich Zeit hatte und uns helfen konnte. D.h. die Zeit verging und Felix hat nicht gestillt. Ich habe dann abgepumpt und wir haben ihm die wenigen Milliliter Milch mit einer Spritze eingeflößt.

Heute frage ich mich, was wäre gewesen, wenn wir für die Geburt etwas länger Zeit gehabt hätten, wenn wir nicht mit Wehentropf und „feste pressen“ gescheucht worden wären, und wenn sich der Arzt nicht auf meinen Bauch gelegt hätte, um Felix rauszudrücken. Was wäre gewesen, wenn man sich von Anfang an Zeit genommen hätte, uns beim Stillen zu helfen. Hätten wir dann einen besseren Start gehabt? Ein Osteopath, den wir mit Felix wegen der Stillprobleme besucht hatten, hat festgestellt, dass Felix‘ Gaumenknochen auf eine Art verschoben waren, die ihm das Stillen sehr schwer machten. Anhand eines Modells zeigte er mir, wie das während der Geburt passieren kann, insbesondere, wenn auf unnatürliche Art nachgeholfen wird…

Für die nächste Geburt möchte ich ins Geburtshaus. Die Schmerzen sind auch ohne Dolantin auszuhalten und ich habe keine Lust mehr auf Krankenhausroutine und Kreisssääle, die frei werden müssen. Die ein bis zwei Stunden verminderte Schmerzen durch Dolantin hätte ich liebend gerne in voller Stärke mitgemacht, wenn ich dafür die Stillprobleme nicht gehabt hätte!

Das war unsere Geschichte. Sie ist lang und sehr ungewöhnlich. Ich wünsche niemandem eine ähnliche Erfahrung, aber denjenigen Müttern, denen es trotzdem ähnlich ergeht, wünsche ich ganz viel Durchhaltungsvermögen. Mit einer gesunden Portion Trotz und festem Willen, sowie mit hinreichend Geduld, kriegt man auch ganz fiese Stillprobleme gelöst!

Ich sitze im Stillzimmer im Krankenhaus. Drei Tage ist meine Tochter nun alt und zuppelt an meiner Brust herum. Sie hat Gelbsucht, aber nur ein bisschen. Und ein bisschen hab ich auch Sorgen. Weil ich irgendwie das unbestimmte Gefühl habe, dass sie gar nicht so richtig Milch abbekommt. Anfängerin prallt auf Anfängerin und gemeinsam versuchen sie was auf die Beine zu stellen… ist wohl normal das sich jede Mutter erstmal doof anstellt. Jedenfalls tun das alle anderen Erstlingsmütter die ich in diesem Raum getroffen habe. Aber dennoch…. „Ich weiß nicht ob sie wirklich was schluckt. Ich hör das nicht.“ sage ich der Säuglingsschwester. Sie setzt sich vor mich hin, weckt behutsam meine Tochter auf, die nach drei Zügen immer wieder aufs Neue einschläft und horcht. „Das nächste Mal wiegen wir sie vorher und nachher.“ Das wird auch gemacht und sie wiegt hinterher genauso viel wie vorher,. Und nun beginnt es.

Alle vier Stunden begebe ich mich nach unten. Abpumpen. Mit der Spritze ins kleine Mäulchen. Bisschen HA-Pre mit Sonde (an den Finger geklebt) hinterher. Mit mir im Raum, im gleichen Abpumprhythmus sitzt noch eine andere Frau. Die hat Milch. Und wie sie die hat. Wie eine Kuh. Sie pumpt ab, weil es ihr mit der Brust zu umständlich ist. Abpumpen, ab ins Fläschchen und rein ins Kind. Da lagert auch schon eine Menge auf Vorrat. Ich sitze da und freue mich wenn meine Milch wenigstens den Boden des blöden Fläschchens bedeckt. Ich fühl mich scheiße. Ich bin müde und genervt und fühle mich hochprozentig unattraktiv. Hab überhaupt gar keine Lust dazusitzen und meine Brüste in diese Melkdinger zu halten. Hab keine Lust angeguckt zu werden. Hab noch weniger Lust mit meiner mageren Ausbeute zur Säuglingsschwester zu gehen, wenn die Kuh ihre vollen Flaschen dahinträgt. Die Schwestern sind aber lieb. Während die eine sich ein schreiendes Kind, dessen Mutter gerade duschen gegangen ist ins Tragetuch bindet, erklärt sie mir vollkommen ruhig, dass ich mir keinen Kopf machen soll. Verspäteter Milcheinschuss ist nicht so selten, dass kommt schon noch.

Zu Hause. Die Gelbsucht ist weg und die Milch ist mehr geworden. Aber glücklich bin ich nicht. Mehr als 50ml wird das niemals. Ich habe angefangen Tabelle zu führen. Tag, Uhrzeit, Menge. Links und rechts. Immer noch alle vier Stunden abpumpen. Immer noch zufüttern mit Sonde am Finger. Immer noch schläft das Kind an der Brust ein und scheint sich an ihr wohlzufühlen. Aber wenn es Hunger hat, dann reicht das nicht. Die Milchkuh aus dem Krankenhaus würde sich wahrscheinlich freuen wenn es ihr gehen würde wie mir. Dann müsste sie sich nicht auch noch den Umstand des Abpumpens machen. Ich brauche diese Gedanken, sie richten die Wut, die ich auf mich selbst empfinde auf eine Person, die ich nicht kenne und der es nicht weh tut. Blöde Trulla. (Hundsgemein, das wusste ich auch damals schon, aber das war einfach nur Tunnelblick mit purem Neid.)

Diese fiesen Gedanken. Warum kann ich mein Kind nicht stillen? Warum wird das nicht mehr? Andere können es doch auch?! Ich bin eine Versagerin… Es ist drei Uhr Nachts und mein Kind schreit. Ich habe es angelegt und es hat kräftig gesaugt. Ist wieder eingeschlafen. Wird bald wieder aufwachen und dann muss ich das Pulver anrühren weil ich zu doof bin. Und ganz tief unten, ganz ganz tief unten, da lauert ein Gedanke der mir immer nur um diese Uhrzeit kommt…vielleicht willst du dein Kind nicht stillen!… Vielleicht nervt es dich weil es dich weckt. Vielleicht bist du unterbewusst sauer und genervt und deswegen geht es nicht. Der Gedanke nagt und knallt dann schließlich wie eine Ohrfeige: VIELLEICHT LIEBST DU DEIN KIND NICHT GENUG! Eigentlich bin ich kein Familienmensch. Aber ich liebe doch meine Tochter und würde sie nie mehr hergeben. Oder…vielleicht… habe ich doch nicht genug Mutterliebe? Bin ich so verkümmert? Ich zieh mir die Decke über den Kopf und heul ein bisschen.

Meine nachbetreuende Hebamme ist ein Knaller. Sie selbst hat keine Kinder, aber eine ebenso große Klappe wie ich. Wir verstehen uns. Sie arbeitet in dem Krankenhaus, in dem ich entbunden habe und hat somit alles von Anfang an mitbekommen. Nun hat sie sich das seit etwa eineinhalb Wochen angeschaut, weder bei mir noch beim Kind einen Fehler erkannt („Ihr macht das beide richtig“), sich nochmal mit Kolleginnen beraten und in ihrer Fachliteratur geblättert. Diagnose: wahrscheinlich zu wenig Milchdrüsen. Passt. Passt dazu dass einfach nicht mehr Milch kommt. Passt dazu dass ich so einzelne verhärtete Stellen an der Brust hatte, an denen sich Milch ausstreichen ließ. Passt dazu, dass meine Brüste sonst immer so weich wie eh und je waren. „Deiner Tochter geht es gut, sie ist kerngesund. Du kannst sie halt nicht voll stillen, aber das ist kein Drama. Du weißt wie das mit dem Zufüttern geht. Bring das Gerät zurück in die Apotheke und finde euren eigenen Rhythmus. Hör auf dir Stress zu machen.“

Und auf einmal ist alles gut. Keine Trauer mehr um jeden einzelnen Tropfen der in der Kleidung versiegt. Keine Zweifel mehr. Und die Milchkuh ist mir auch egal geworden. Ich nehme mir den Stress und bin entspannter. Der Tag wird nicht mehr durch den Abpumprhythmus bestimmt. Die fiesen Stimmen verschwinden. Wir finden unseren Rhythmus. Ich fange an abwechselnd die Flasche und die Brust zu geben. Erstmal schön mit der Sonde, um das arme Würmchen nicht zu verwirren. Mit zwei Monaten zappelt sie mir die Konstruktion aus der Hand und ich gehe auf Flasche über. Ich achte immer darauf, wenigstens einmal mehr die Brust zu geben als die Flasche, oder es zumindest gleichwertig zu halten.

Heute bekommt sie Beikost. Die „Guten-Morgen-Brust“ ist geblieben, das „Gute-Nacht-Fläschchen“ auch. Mit der Beikost konnte ich zuerst einmal Flasche durch Brust, dann durch nichts ersetzen. Kam einfach so, denn das Zappeltierchen hat einen irren Spaß daran, „echtes“ Essen zu entdecken. Ich weiß genau, dass der Inhalt meiner Brust nicht mehr ist als ein kleine Snack zwischendurch. Aber ich weiß auch, dass meine Tochter ab und zu nach diesem Snack verlangt und verwehre es ihr auch nicht. Besonders wenn sie etwas neues gegessen oder erlebt hat, braucht sie die Rückkehr zu „Mama total“. (Ausdruck meiner Hebamme)

Meine Mutter hatte übrigens auch Stillprobleme. Die gleichen wie ich. Nur das sie damals, Anfang der 80er Jahre, einfach nur eine Flasche in die Hand gedrückt bekam. Sie wurde eh schon so schräg angeguckt, weil sie überhaupt voll stillen wollte.

Wie sicher zu erlesen ist, habe ich meine anfänglichen Gefühle und Gedanken nicht vergessen. Es wäre wichtig für mich gewesen, Austausch mit anderen Frauen zu haben, denen es geht wie mir. Den hatte ich nicht (ich kannte auch die Rabeneltern damals noch nicht). In so fern kann meine Stillgeschichte gerne eine Anregung zu einem Austausch sein, aber hoffentlich auf jeden Fall eine Hilfe für Frauen, die wissen wovon ich eben erzählt habe und noch denken sie seien damit allein, aus welchen Gründen auch immer (!!) nicht voll stillen zu können.

Schon in der Kinderwunschzeit war mir klar, dass ich unser zukünftiges Kind auf jeden Fall stillen wollte, nicht zuletzt weil ich selbst nur kurz gestillt wurde und mit Allergien, Asthma und Neurodermitis zu kämpfen hatte. Ich informierte mich also ausführlich über Literatur und einschlägige Foren und fühlte mich schon als halbe Stillberaterin, bevor ich überhaupt schwanger wurde.

Als ich dann schwanger war kam es mir nie in den Sinn, dass es mit dem Stillen irgendwelche Probleme geben könnte..

Im ersten Trimester wurde bei mir allerdings eine seltene Herzerkrankung festgestellt, die mit Betablockern behandelt werden muss. Anfangs handelte es sich um ein stillverträgliches Medikament, doch um die 32. Woche herum wurde ich auf eins umgestellt, dass zu über 20% in die Milch übergeht und damit nicht zum Stillen geeignet ist. Ich kämpfte mit Händen und Füßen dafür, dass ich nach der Geburt auf eine stillverträgliche Variante umgestellt würde, doch mein behandelnder Kardiologieprofessor konnte den Sinn des Stillens überhaupt nicht nachvollziehen und stellte sich vollkommen quer. Ich kam mir wie ein trotziges Kind vor, aber gab nicht nach und kurz vor dem geplanten Kaiserschnitt (auch wegen des Herzens und den damit verbundenen potenziellen Risiken unter der Geburt) erklärte er sich dann doch noch bereit, mich 2-3 Tage nach der Geburt umzustellen.

Nun ist das natürlich auch nicht ideal: Kaiserschnittentbindung und dann erst 3 Tage danach mit dem Stillen anfangen, aber ich war fest entschlossen es zu schaffen. Denise Both brachte mich hier vor Ort (ich lebe nicht in Europa) mit einer kompetenten Stillberaterin zusammen, die mir gleich am ersten Tag zeigte, wie ich schon mal Kolostrum zur Anregung der Milchproduktion ausstreichen kann und Hilfe versprach, sollte es nicht klappen. Am lang ersehnten 3. Tag nach der Geburt wurde es dann trotzdem ein ziemlicher Kampf: Ich hatte einen heftigen Milcheinschuss, meine Brüste quollen über und meine winzige Tochter hatte keine Ahnung was sie damit soll. Sie war hungrig, schrie die Brust an, ich tropfte wie ein Wasserhahn und gab ihr letztlich doch wieder die Flasche, weil es mir das Herz brach, sie so kämpfen zu sehen. Leider war genau zu diesem Zeitpunkt – es war Wochenende – weit und breit keine Stillberaterin verfügbar und ich völlig auf mich alleine gestellt, aber ich probierte es danach immer wieder und hatte am Abend den ersten Durchbruch: Sie dockte an und trank eine Seite komplett leer. Ich war so glücklich und stolz auf die Kampfmaus!

Am nächsten Tag wurden wir entlassen und zuhause klappte es dann langsam aber sicher immer besser. Zwar hatten wir eine zusätzliche Herausforderung aufgrund Mausens zu kurzem Zungenbändchen und immer wieder Schwierigkeiten beim Andocken wenn sie hungrig und ich zu „voll“ war, aber wir stillten und die Kleine nahm zu. Allerdings hatte ich große Schmerzen bei jedem Stillen, die Brustwarzen waren schnell aufgerissen und blutig, und wir vermuteten, dass daran auch das Zungenbändchen schuld war.

Drei Wochen nach der Geburt war ich zur Beratung bei der netten Stillberaterin, die ganz begeistert über uns beide war, aber bei dem kurzen Zungenbändchen kaum fassen konnte, dass wir überhaupt vollstillen. Sie riet uns nachträglich dazu, das Zungenbändchen durchtrennen zu lassen (drei Kinderärzte hatten das Problem zuvor abgewiegelt…), was wir beherzigten und noch am selben Tag in die Tat umsetzten. Der Eingriff war blutig, aber harmlos, danach konnte ich die Maus sofort stillen und eine halbe Stunde später war die Sache vergessen. Zwar musste sich die Kleine technisch etwas umstellen – schließlich konnte sie plötzlich ihre Zunge richtig benutzen – aber nach ein paar Tagen klappte dann alles ganz prima.

Zwei Jahre und drei Monate haben wir insgesamt gestillt, dann holte mich mein Herzproblem doch wieder ein: Ich musste erneut auf ein anderes Medikament umgestellt werden, bei dem Stillen nicht empfohlen ist, bzw. nur so wenig wie möglich. Daraufhin reduzierte ich zunächst die Stillmahlzeiten drastisch, indem ich jedesmal bis 10 zählte. Anfangs schien meine Tochter das auch ganz gut anzunehmen, aber es zeichnete sich schnell ab, dass wir beide das Stillen so nicht mehr so recht genießen konnten. Nach mehreren durchweinten Nächten schließlich, weil sie mehr wollte als *10*, fasste ich den schweren Entschluss, klare Verhältnisse zu schaffen und ganz abzustillen. Die ersten zwei Wochen waren hart, es brach mir fast das Herz, aber dann wurde es langsam besser, und es war für uns beide im Nachhinein richtig, einen klaren Schlussstrich zu ziehen.

Es ist schon witzig, wie man sich im Leben so verändert, nicht wahr? Wenn ich manchmal mein Leben vor meinem inneren Auge passieren lasse, dann muss ich selbst manchmal staunen…

Als ich vor 11 Jahren meine Große bekam, stillte ich sie zwar aus Überzeugung, aber nicht wirklich leidenschaftlich. Ich wusste, Stillen muss sein und am besten das ganze erste Lebensjahr. Nun ja, es war mein erstes Kind und ich war gar nicht selbstbewusst: habe alles so gemacht „wie es richtig ist“, sprich: alle drei Stunden anlegen, zwischendurch Wasser geben; mit zwei Monaten bekam Gabi, wie es in Russland üblich ist, Apfelsaft; mit 4 Monaten? Eigelb mit Milch verrührt und Breie mit Vollmilch gekocht. Mit 7 Monaten wurde sie wegen gewisser Umstände abgestillt.

Dann sind wir nach Deutschland gekommen und mein Mann hat mich zum zweiten Kind überredet. Und nach fast zwei Jahren Warten wurde ich schwanger. Noch in der Schwangerschaft habe ich mich entschlossen, mein zweites Baby 6 Monate voll zu stillen. Maxim bekam aber auch Wasser zwischendurch und einen 3-Stunden-Rhythmus hatten wir auch, aber er ging eigentlich von Maxim aus. Mit 6 Monaten habe ich angefangen, Maxim Beikost zu geben und so haben wir nach und nach fast alle Tagesmahlzeiten ersetzt. Denn ich wusste nicht, dass man auch trotz Beikost munter weiter stillen kann. So blöd war ich! Na ja, wenigstens morgens, abends und nachts hat Maxim gestillt… Aber er wachte ungefähr 3 Mal pro Nacht auf und alle haben mir gesagt, dass liege nur daran, dass er nachts Hunger hat, und ich hab´s geglaubt. So bekam er zusätzlich zum Stillen noch 80-100ml Flaschenmilch bevor ich ins Bett ging. Seitdem wachte er „nur“ 1-2 Mal auf. Vielleicht hätte mich das doch zum Nachdenken gebracht, wenn es mir plötzlich nicht so schlecht gegangen wäre. Und dann kamen eines Tages noch Probleme mit dem Stillen hinzu. Es gab nur noch Kampf an der Brust, Maxim wehrte sich mit Händen und Füßen, wenn ich ihn anlegen wollte. Nach einer Woche habe ich aufgegeben und noch ein paar Wochen später stellte mein Frauenarzt eine erneute Schwangerschaft fest.

Als Felix geboren wurde, war Maxim 18 Mon. alt. Natürlich machte ich mir in der Schwangerschaft Gedanken, wie es mit dem Stillen klappen würde, aber Maxim war auf seinen kleinen Bruder nicht eifersüchtig. Einmal wollte er sogar selbst Felix stillen. Es war so süß: Wir lagen zu dritt auf dem Bett, weil Maxim seinen Nachmittagsschlaf machen sollte. Felix fing an zu weinen und Maxim hat sein T-Shirt hochgezogen und sagte „Tim Baby amam“ (=Maxim gibt dem Baby zum Essen). Felix war seit seiner Geburt ein Schreikind, er schrie tags und nachts. Es gab Tage, da konnten wir nicht mal aus der Wohnung rausgehen. Es war sehr schlimm und ich danke allen Göttern, die es gibt, dass ich ihn stillen konnte und genug Kraft hatte, ihn zu tragen und zu trösten. Das war die einzige Möglichkeit, Felix einigermaßen ruhig zu stellen (besonders nachts). Dass da kein Rhythmus drin war, brauche ich wohl nicht zu erwähnen *zwinker*. Felix stillte viel und immer ausgiebig. Und  ich habe zum Glück  inzwischen dazugelernt. Es gab nicht nur keinen Rhythmus, es gab auch kein Wasser zwischendurch, es gab keine Folgemilch, auch wenn Felix nachts öfters alle 30 Minuten an die Brust wollte. Beikost habe ich ihm angeboten, als er 6 Mon. alt war, aber davon wollte er nichts wissen. Und so habe ich Felix 11 Monate voll gestillt. Mit 14 Monaten hat er angefangen, mehr an Beikost zu essen und ab diesem Zeitpunkt habe ich aufgehört, ihm die Brust tagsüber von mir aus anzubieten.

Als Felix ungefähr ein Jahr alt war, begann ich, über noch ein Kind nachzudenken. Nach einigen Gesprächen mit meinem Mann wurde mir klar, dass wir uns entweder gleich an die Sache ran machen oder es ganz sein lassen sollen. Und wie das Schicksal es wollte, wurde ich beim ersten Versuch schwanger. Das Stillen wurde unangenehm, aber wir brauchten das beide: Felix, weil er das Stillen so liebte und ich als Möglichkeit Felix zu beruhigen und überhaupt konnte ich ihn einfach nicht abstillen… Hätte mir das jemand ein paar Jahre zuvor gesagt, dass ich schwanger stillen werde, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt… Alle rieten mir zum Abstillen: die Hebamme (die vom Stillen eigentlich keine Ahnung hatte), der Frauenarzt, die Familie (außer meinem Mann), die Freunde. Inzwischen war ich aber sehr selbstbewusst und meines Handelns sicher; es war nicht schwer gegen „ihre“ Argumente zu kontern. Felix hat sich mit 18 Monaten und 17 Tagen von der Brust buchstäblich verabschiedet: Er hat in der Nacht wieder mal sehr oft gestillt, dann nach dem Aufwachweinen griff er wieder nach der Brust, stillte wirklich genüsslich und ließ dann los, hat sich die Brust angeschaut, ihr zugewunken und „Tschüß. Alle.“ gesagt. Danach hat er sich umgedreht, ist vom Bett runter und wollte nie wieder stillen. Ich fand diesen Abschied richtig schön.

Nach Vanessas Geburt trank Felix am Anfang noch gerne seinen „Kakao“ (ausgestrichene Muttermilch), aber dann wollte er auch das nicht mehr. Unser Sonnenschein Vanessa ist jetzt 9 Monate alt, wird immer noch nach ihrem Bedarf vollgestillt. Keine Ahnung, wie lange ich sie noch stillen werde. Ist mir auch egal, Hauptsache sie ist glücklich und ich habe weniger Arbeit *wieder zwinker*.

So langsam *seufz* aber sicher wird man auch zum Stillprofi 😉

Benjamin’s Geburt war zum Glück ambulant, so waren wir am Abend des 2.10. schon wieder zu Hause. Natürlich hatte ich ihn gleich im Kreißsaal schon angelegt, wo er auch zufrieden nuckelte. Da er ja ziemlich leicht war bei seiner Geburt (2800 g), wollte er viel und häufig stillen, ich ließ ihn natürlich. Doch am nächsten Tag schien er immer unzufriedener zu werden und ich zweifelte schon ein wenig an meiner Stillfähigkeit. Diese hatte mich aber in den letzten 2.5 Jahren nicht im Stich gelassen, also wieso sollte ich meinen Kleinen nicht stillen können? Heute schiebe ich es auf die Hormone.J

Am dritten Tag kam dann der Milcheinschuss. Ich war natürlich darauf vorbereitet und legte Benjamin immer so an, dass sein Kinn in die Richtung der harten Stelle(n) zeigte. Auch Alexander animierte ich zum Stillen. Doch er war so geschockt von dem Überangebot an Milch (in der Schwangerschaft war die Milch sofort weg), dass er sich nicht traute. J Doch auch so war der Milcheinschuss nicht schlimm.

Benjamin trank, wie Alexander damals auch, alle zwei Stunden, doch dieses Mal war ich daran gewöhnt und richtete mich nach ihm.

Mittlerweile ist er vier Monate alt und seine Stillabstände sind, anders als bei seinem Bruder, tags und nachts länger geworden. Er hat sein Geburtsgewicht schon mehr als verdoppelt und wir drei (Alexander, Benjamin und ich) genießen das Stillen alle sehr.

Tja, wie fängt man an mit so einem verwirrend scheinenden Erfahrungsbericht?

Vielleicht so:
Ich wurde zum zweiten Mal schwanger, da war mein Kleiner gerade mal 7 Monate alt – und stillte noch nahezu voll. (Soviel zur empfängnisverhütenden Wirkung)…

Er stillte die ganze Schwangerschaft munter weiter und brachte mich manchmal an den Rand der Verzweiflung, denn er war das, was ich einen Marathonstiller nenne. Wurde ich manchmal gefragt, wie oft er denn nachts so stille, konnte ich mit ruhigem Gewissen sagen „einmal“, verschweigend, dass er beim Einschlafen andockte und manchmal so gut wie nicht mehr losließ. Mehr als 2-3 Stunden hatte ich seit seiner Geburt noch nie wieder geschlafen, und so sehr ich das Stillen liebe, es lag am Stillen. Also war ich im 6. Monat so erschöpft, dass ich zusammenbrach und erst mal ins Krankenhaus an den Tropf durfte. Dort hatte ich allerdings schon verstanden, dass Stillen mir eigentlich mehr half als hinderte. Nur wenn er stillte, konnte ich mich auch mal hinlegen. Welcher Einjährige legt sich sonst einfach so mit seiner Mama hin? Die Ärzte schoben es natürlich auf das an mir zehrende Stillen… Überhaupt schoben sie jedes noch so Miniproblemchen (die wohl alle Schwangeren haben) auf mein Stillen in der Schwangerschaft… Aber ich blieb stark – und stillte weiter. Obwohl sie gesondert mit meinem Mann und meiner Mutter sprachen wie schädlich das Stillen jetzt für mich sei. Recht gab ich ihnen nur in soweit, als dass mein Schlafdefizit mich wirklich auffraß und ich mich tagsüber kaum in der Lage fühlte auf meinen Kleinen aufzupassen. Somit versuchte ich nachts abzustillen. Scheiterte natürlich kläglich.

Als ich im 7.Monat war, stand unser „Umzug“ in die USA an. An dieser Stelle füge ich mal einfach den Teil eines damals geschriebenen Postings ein, verschafft glaube ich den besten Eindruck:

Die Krönung war dann der Stress, der mit Amerika verbunden war. Ich war so am Ende (körperlich und psychisch) wie noch nie in meinem Leben. SARS brach eine Woche vor Rückflug direkt bei uns in der Nähe aus, Alarmstufe orange – der Krieg war im Gange, man wollte uns keine Krankenversicherung mehr gewähren, Probleme mit der Familie und und und…

Ja, dann noch die üblichen Hormonschwankungen nach einer Geburt – ES WAR ZU VIEL.

Mein Mann beschloss, ich könne so keine zwei Kinder und mich selbst ernähren – und gab mir einen Schubs ihn abzustillen. Am Tag der Geburt seines kleinen Bruders.

Halt, Stopp – nein ich bin sonst absolut nicht „hörig“ – aber in der Situation war es wirklich nahe liegend. Das sehe ich vom Kopf mit Abstand auch noch so. Aber mein schlechtes Gewissen nagt an mir.

Denn seither hat er so eine Trinklernflasche (kannte er vorher gar nicht) – und die ist inzwischen der Allesheiler. Nachts wird getrunken, Müdigkeit wird weggetrunken, Aua sowieso. Seit ein paar Tagen geht trinken nur noch in Kombination mit Hand an Mamas Bauch – und zwar obsessiv.

Da er sehr schlecht isst, habe ich schon überlegt wieder zu stillen, aber so richtig vorstellen kann ich’s mir dann nicht mehr allzu lange, da ich aber den Kleinen (für den Stillen tatsächlich fast nur als Sache zum Zweck dient) bestimmt noch ein Jahr stille, müsste ich ihn dann wieder eher abgewöhnen, was ja schlimm wäre… Und dann sieht das aus, als sei es böse Absicht gewesen ihn so lange nicht zu stillen. Oder übertrag ich einfach meine Gefühle auf ihn?? Mit stillen hatte ich wirklich keine Probleme, aber jetzt denke ich oft, was er sich da aneignet kann doch nicht gut sein – Trinken als Lösung für alles.

So, bis dahin mal das Posting. Zwei Seelen kämpften in meiner Brust. Ganz tief in meinem Herzen wollte ich ihn wieder stillen. Aber so vieles (u.a. mein Mann) sprach dagegen. Bis dann eines Tages die Wandlung geschah (am besten zu verstehen, denke ich, wieder über ein Posting)


Hallo,
hatte ja vor einiger Zeit mal erzählt, dass ich meinen „Grossen“ genau am Tag der Geburt seines Bruders abgestillt habe (da war er 16 Monate alt). Habe es getan, weil ich glaubte, körperlich einfach nicht in der Lage gewesen zu sein, Tandem zu stillen. Hatte sehr viel Stress (Umzug von USA nach Deutschland, nur ein Beispiel), andererseits hab ich es immer wieder bereut. Hatte aber auch immer Angst wieder einfach zu stillen, weil er nachts oft dauergestillt hat, und ich ja jetzt nachts noch ein Neugeborenes 4-6 mal stillen durfte. Und dann immer diese Gedanken, wie er sich fühlt, wenn er es auf einmal wieder darf – als hätte ich ihn nur hingehalten…

Dann war es aber so, dass er seit Amerika immer schlechte Eisenwerte hatte. Eine Erkältung jagte die nächste. Mein Mann war bisher absolut dagegen ihn wieder zu stillen. Dann stolperte ich über Berichte im Internet, dass man mit Muttermilch diverse Krankheiten heilen könnte. Und siehe da – mit meinem Gewissen war plötzlich alles vereinbar. Wenn es um seine Gesundheit geht, und ich eine eventuelle Lösung so einfach zur Hand habe (zumindest ist es einen Versuch wert), wäre es ja nahezu unverantwortlich sie nicht zu nutzen. Diesen Grund konnte selbst mein Mann nicht abweisen.

Somit fragte ich meinen Kleinen eines abends einfach (oder fragte er mich?? er fragte immer mal zwischendurch – so süß „darf ich mama-trinken?“). Als er durfte – er hatte 1 Jahr nicht mehr getrunken – guckte er mich an als hätte ich mich in eine Kuh verwandelt( ja, ja in seine Milchkuh) – dann trank er ganz vorsichtig. Ein paar Tage später ging er zu seinem Bruder (der jetzt übrigens 1 Jahr ist) und verkündete, dass mama-trinken alle sei. Ich wusste nie, ob er was rausbekam, da er teilweise nicht richtig saugte). Jetzt scheint es besser zu klappen. Die ersten Male sagte er ganz angetan: „das ist gerne lecker“. Was er noch nie zu irgendwas gesagt hat.

Und das beste – weiß der kuckuck warum – aber nach 1 Jahr schlechter Werte ist sein Eisenwert wieder okay. Schwarz auf Weiß – leider weiß der Arzt nichts von unserer Stillaktion. Und das, obwohl wir das Eisen abgesetzt haben.

Abstillen wurde bis auf weiteres vertagt. Und nachts hat er bisher nicht einmal danach verlangt.

So, bis dahin das Posting.
Heute, ca. 1 Monat nach „Stillstart“ ist es so, dass er selten mal zum Einschlafen stillt. Nachts gar nicht. Manchmal trinken beide gleichzeitig, mal trinkt er 1-2 Tage gar nicht. Hab das Gefühl, dass die Beziehung meiner beiden untereinander harmonischer ist, seitdem gnadenlos alles geteilt wird. Auch wenn der Kleine manchmal noch meint SEIN „Revier“ verteidigen zu müssen…

Außerdem stille ich ihn nur, wenn wir Zuhause sind. Aber alles in allem passt es so ganz gut.

Stillende? Erst mal nicht in Sicht.

Als unsere Große geboren wurde, hab ich mir über das Stillen gar keine Sorgen gemacht, ich wusste, dass ich auf jeden Fall stillen werde und dem stand eigentlich nichts im Wege. Dann wurde ich zweiten Mal schwanger, da war aber die Große schon fast 7 Jahre alt und ich konnte ihr erklären, wie wichtig Stillen für das Baby ist und dass wir beide, besonders am Anfang, während des Stillens Ruhe brauchen. Unser Maxim war aber so ein unkompliziertes Baby, dass wir schon nach 2 Wochen überall stillen konnten, ihn hat nichts gestört, Hauptsache, er bekommt seine Milch. Auch Gabi kam mit der Situation ziemlich schnell zu recht, und obwohl sie im Allgemeinen sehr eifersüchtig auf ihren kleinen Bruder reagierte, hat sie beim Stillen nie gestört. Sie hat meistens dabei gesessen und ihre Sachen erledigt: Hausaufgaben gemacht, gemalt, gelesen und manchmal auch ihre Puppe gestillt. Ich war wirklich erleichtert, denn jeder versuchte mir einzureden, dass es mit dem Stillen sehr kompliziert werde könnte, dass die Große „diese innige Zweisamkeit nicht zulassen wird“ etc.

Noch schlimmer wurde es mit dem Umfeld, als ich mit unserem dritten Kind schwanger wurde, da war Maxim erst neun Monate alt und stillte immer noch. Ich bekam totale Panik, dass ich mit zwei so kleinen Kindern nichts schaffen werde, jedes Mal, wenn ich an unser Leben zu fünft dachte, bekam ich Schweißausbrüche … Nur mit einer Sache war ich mir sicher: auch dieses Baby wird gestillt. Um uns einen guten Start zu erschaffen, habe ich angefangen, Infos zu sammeln. Ich las im Internet, in Elternzeitschriften, ich redete mit erfahrenen Müttern und überall stand eigentlich nur das eine: es wird schwierig, man muss unbedingt das größere Kind ablenken, um eine ruhige Atmosphäre fürs Stillen vorzubereiten, ich sollte eine „Still“-Spielkiste anschaffen, ich sollte besonders hübsche Bücher bereit legen, damit Maxim sich beschäftigen kann, während ich sein Geschwisterchen stille. Als ich die ganzen Informationen verdaut und mir meinen Sohn angeschaut hatte, wusste ich, das wäre nicht unser Weg. Ich habe mir überlegt, wie ich mit Maxim umgehen sollte, damit er ohne Eifersucht auf das Stillen reagiert. Zum Zeitpunkt von Felix Geburt war Maxim schon längst abgestillt, also das „Problem“ des Teilens hatte ich nicht, aber alles andere stand uns noch bevor …

Wir haben letztendlich nichts gemacht, Maxim hat schon in der Klinik gesehen, dass ich Felix stille, wir haben ihm erklärt, dass das Baby Hunger hat und dass es Mamas Milch braucht. Es hat Maxim nicht weiter interessiert. Er ist nur durch das Zimmer geflitzt und hat versucht sämtliche Steckdosen und Lichtschalter zu untersuchen, Blumen meiner Zimmernachbarin aus der Vase zu pflücken und lauter solche Sachen zu machen. Als wir nach Hause kamen, hatte ich in den ersten drei Wochen eine tolle Unterstützung von meiner Schwiegermutter und ihrer Schwester bekommen, sie haben sich umgehend um Maxim gekümmert, damit er sich nicht vergessen vorkam. Aber dann war ich mit meinen drei Kindern auf einmal alleine. Ich werde diesen Tag nie vergessen: mein Mann ging zur Arbeit, dann hab ich die Große zur Schule geschickt und stand da mit einem schreienden Baby und sich langweilendem Kleinkind von 19 Monaten. Mein erster Gedanke war „ich will meine Schwiegermama zurück“, aber dann hab ich tief Luft geholt, mich mit beiden ins Kinderzimmer auf den Boden gesetzt, Legosteine rausgeholt und es ging dann los: Felix angelegt, mit der anderen Hand Türme gebaut, dann Bücher gelesen, den „Großen“ gestreichelt, sogar tanzen beim Stillen konnte ich nach einer Weile. Maxim hat sich sehr schnell an die Situation gewöhnt und er war nie eifersüchtig. Felix ist jetzt 13 Monate alt und wird immer noch gestillt. Es ist schon öfters vorgekommen, dass Maxim zu mir kommt und sagt: „Felix weint – stillen.“ Dann steht er dabei und küsst seinen Bruder, während der Kleine stillt oder hält ihm die Händchen.

Es wundert euch vielleicht, dass ich im zweiten Teil meiner Geschichte Gabi nicht mehr erwähne, aber sie war dann schon 8 Jahre alt und kannte die Situation. Für sie war es genauso selbstverständlich wie für mich und meinen Mann, dass Felix gestillt wird.

Es gibt viele Wege, wie man sich das Stillen mit zwei kleinen Kindern erleichtert. Wir haben den richtigen für uns gefunden, indem wir gar keinen Aufstand darum gemacht haben und es so natürlich wie möglich gemacht hatten. Dabei spielte Maxims Charakter natürlich eine sehr große Rolle, hätte er auf sein Brüderchen mit Eifersucht reagiert, dann hätten wir andere Möglichkeiten ausprobiert.

Stillen – das war für mich eigentlich kein Thema. Ich war schwanger – ich würde stillen, na klar. Wie, warum, wie lange – darüber habe ich kaum nachgedacht. Ein halbes Jahr voll stillen, schon wegen der Allergiegefahr, mit ungefähr einem Jahr abstillen. So hatte es meine Schwester gemacht (mein einziges direktes Vorbild), so stand es in der üblichen Ratgeberliteratur, so schien es normal und richtig zu sein. Ich selbst war 10 Monate lang gestillt worden, bis ich meiner Mutter in der Öffentlichkeit „an die Bluse ging“ – was damals in den sechziger Jahren einfach undenkbar war (öffentlich zu stillen).

Ja, und dann kam die Praxis…

Die Zeit rund um die Geburt war schwierig (Gestose, Einleitung der Geburt, Curettage, überfülltes Krankenhaus aus der Zeit der Jahrhundertwende und Hitze, Hitze, Hitze). Mehr als vier Stunden nach der Geburt konnte ich Gabriel endlich in den Arm nehmen, aber es hat Tage gedauert, bis ich das Gefühl hatte: Jetzt ist der innere Kontakt da. Sieben Tage lang, von der Einlieferung ins Krankenhaus bis zur Entlassung, konnte ich nicht mehr als hin und wieder eine oder zwei Stunden schlafen. Die Beratung durch die Schwestern war eher bescheiden, sie ermutigten die Mütter dazu, die Kinder über Nacht abzugeben, was mir zutiefst widerstrebte. Ist es da ein Wunder, dass es mit dem Stillen nicht so recht klappen wollte, zumal es ja mein erstes Kind war? Unterstützung?? Mein Mann (selbst übrigens 5 Jahre gestillt) wies freundlicherweise daraufhin, es gebe Muttertiere, die ihre Jungen nicht annehmen würden, so etwas komme sicher auch bei Menschen vor…  Im nachhinein ist das lustig, aber damals! Geholfen hat mir das Stilltagebuch meiner Schwester. Erst 1 1/2 bis 2 Wochen nach der Geburt, also zu Hause, hat es mit dem Stillen so richtig geklappt. Das Führen eines Stilltagebuchs wurde mir dann bald zu mühsam. –

Ein halbes Jahr ging vorbei, die Beikost wurde zum nächsten zu bewältigenden Thema. Gabriels erster Geburtstag rückte heran, aber abgestillt war das Kind noch lange nicht – wie denn auch, da es ja nur an der Brust einschlief? Er war 18 Monate alt, da bekam ich einen Panikanfall. „Wenn ich jetzt das Abstillen nicht schaffe  -“  ja, dann was? So genau malte ich mir das gar nicht aus. Ich suchte Hilfe bei einer Stillberaterin, die mir Tipps zum Abstillen gab – aber eben auch das Buch „Wir stillen noch. Vom Leben mit gestillten Kleinkindern“ empfahl. Ich bestellte es, ich las es – und seitdem waren Gefühl und Überzeugung im Einklang. Wieso überhaupt (aktiv) abstillen? Ich wurde zwar nicht zur Still-Missionarin – es sei denn ich wurde gefragt – aber das Kind und ich stillten weiter und es gefiel uns gut. Es war noch keine drei Jahre alt, da war ich wieder schwanger und das Stillen veränderte sich. Die Brustwarzen schmerzten beim Anlegen stark und ich entwickelte einen Widerwillen, wenn es zu oft stillen wollte. Ich hoffte auf ein selbständiges Abstillen während der Schwangerschaft. Beinahe wäre es auch so gekommen, aber eine schwere Krankheit führte Gabriel wieder an die mütterliche Brust, die er von da an nicht mehr lassen wollte, und ich freundete mich mit dem Gedanken des Tandemstillens an. Nach Ivo’s Geburt wollte sich dann leider kein harmonisches Zu-Dritt-Stillen einstellen. Innerhalb kurzer Zeit zeigte der Große starke Eifersucht und wollte immer genau dann stillen, wenn das Baby gestillt wurde. (Der Start in die zweite Stillbeziehung hatte wunderbar begonnen, nachdem ich Ivo gleich nach der Geburt hatte anlegen und etwa 1 Stunde stillen können.) Ich machte drei schwere Infekte innerhalb von einem Monat durch und nutzte schließlich 8 Wochen nach der Geburt genervt und entkräftet die notwendige Einnahme von Antibiotika, um dem Großen eine Stillpause „zu verkaufen“. Am ersten Abend weinte Gabriel zwei Stunden lang! An den nächsten Tagen fragte er, wie lange ich die Medizin noch nehmen müsse und nach drei Wochen war alles vorbei. Er wollte auch später nicht einmal mehr probieren. Die aktuelle Situation war dadurch für mich entschärft – die Eifersucht ist bis heute ein Problem geblieben.

Das Stillen des zweiten Kindes ist bis heute (Ivo ist gerade 2 Jahre alt geworden) problemlos verlaufen, obwohl mich Dauer und Häufigkeit seines Stillbedürfnisses schon manchmal Nerven gekostet haben… Andererseits bin ich froh, dass ich jederzeit die Möglichkeit habe, ihn wieder voll zu stillen, wenn er es braucht, z.B. bei Durchfallerkrankungen. Gerade macht er eine schwere Grippe durch; es geht ihm richtig schlecht und er verweigert jede Nahrung und jedes Getränk – bis auf sein geliebtes Mam-mam. Zumindest kann ich so sicher sein, dass er die bestmögliche Nahrung in dieser Situation zu sich nimmt…

Ivo ist viel fordernder und bestimmter als Gabriel, was seine Stillwünsche betrifft. Er stillt mehrfach am Tag und oft auch in der Nacht und meistens will er beide Seiten. Er lässt sich nicht vertrösten und auch die Stillzeiten nicht verkürzen, ohne heftig zu protestieren. Dadurch war (und bin) ich gezwungen, auch in der Öffentlichkeit, auch vor Fremden zu stillen, was ich bei Gabriel so weit als möglich vermieden hatte. Ich bin daran gewachsen und habe mich daran gewöhnt. Inzwischen haben wir im Kaufhaus gestillt, in diversen Wartezimmern, bei Besprechungen mit Ärzten, Erzieherinnen und Schulleitern, in der U-Bahn, auf Spielplätzen … die Liste wird sicherlich noch länger werden, bis Ivo’s Stillzeit zu Ende geht! Das Erstaunliche ist, dass ich zwar öfter belustigten bis anerkennenden Beifall, aber noch niemals negative Bemerkungen zu hören bekommen habe, höchstens erstaunte bis befremdete Blicke. (Die „professionellen“ Kommentare von Ärzten lasse ich an dieser Stelle mal beiseite L ) Ich führe das auf die Selbstverständlichkeit zurück, mit der ich das Stillen handhabe. Ich spreche gar nicht darüber, sondern tue es einfach, sozusagen nebenher  – und so trauen sich potenzielle Kritiker vielleicht erst gar nicht, mit ihrer Meinung herauszurücken.

Es ist schön, wieder ein „großes“ Stillkind zu haben. Das Stillen ist jetzt seit fünfeinhalb Jahren ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und ich hoffe sehr, dass das Ende dieser Stillzeit vom Kind bestimmt werden wird!

Gabriel hatte sich während meiner Schwangerschaft so knapp vor der Hälfte (17./18. Woche) beinahe abgestillt (vorher trank er immer zum Einschlafen, also vor allem am Abend und – wenn er nicht bei der Tagesmutter war – mittags sowie in seltenen anderen Fällen). Das war so zu seinem 3.Geburtstag. Wir beide fuhren kurz danach in eine große Kurklinik zur Mutter-Kind-Kur, die sich zu einem Albtraum entwickeln sollte. Er ging dort zum ersten Mal in einen Kindergarten und war gerade so ein bisschen eingewöhnt, da bekam er nach einer Woche hohes Fieber. Dieses Fieber dauerte an, bis wir wieder nach Hause fuhren, also zwei Wochen (es stellte sich später heraus, dass es sich um eine tief sitzende Lungenentzündung handelte, die nur durch Röntgen zu entdecken war). In dieser Zeit hat er wieder angefangen, regelmäßig zu stillen. Dabei blieb es dann auch nach seiner Gesundung.

Nach der Geburt musste er ja ein paar Tage Pause machen, weil ich im Krankenhaus war. Als ich zurückkehrte, wollte er zuerst nicht trinken, und als er das erste Mal probierte, verzog er den Mund und sagte: „Iiih, das schmeckt ja nach Kacki!“. Einige Tage später hat er es sich aber wieder anderes überlegt und es hat ihm doch wieder geschmeckt. Leider war es für mich sehr problematisch, Tandem zu stillen, weil Gabriel partout immer dann stillen wollte, wenn das Baby dran war, vor allem natürlich abends zum Einschlafen (sie schliefen ungefähr zur selben Zeit ein). Die Dauer seiner „Stillsessions“ verlängerte sich auch. Ich fühlte mich zusehends genervt und innerlich unruhig, zumal er bald eine heftige Eifersucht auf das Baby entwickelte und ich innerhalb von etwa einem Monat das dritte Mal eine schwere Angina hatte. Als mir beim dritten Mal sogar das Atmen wehtat, vom Essen, Trinken und Sprechen ganz zu schweigen, ging ich endlich zum Arzt und erhielt ein Antibiotikum verschrieben. (Der Hals war fast vollständig zugeschwollen.) Das habe ich dazu benutzt, um Gabriel zum Abstillen zu drängen. Man kann ruhig sagen: zu zwingen.

Er war an dem Abend mit seinem Vater unterwegs und als sie nach Hause kamen und er sein „Ani-ani“ wollte, erklärte ich ihm, dass ich jetzt dieses Medikament nehmen müsse, weil ich solche Schmerzen hätte. Leider habe das Medikament Nebenwirkungen (schlimmes Bauchweh und Durchfall) und ich wolle nicht, dass auch er krank würde. Das Baby könne ja leider noch nichts anderes zu sich nehmen, er aber schon und darum dürfe er jetzt solange nicht stillen, wie ich die Medikamente nehme. Da war er natürlich fassungslos und sein Kummer groß. Er hat zwei Stunden lang geweint und versucht, mich doch zu überzeugen, aber ich bin hart geblieben (in der Sache meine ich), habe versucht, ihn zu trösten – und schließlich ist er doch in meinen Armen eingeschlafen. Diese zwei Stunden waren sehr schlimm, auch für mich! Am nächsten Tag fragte er mehrfach, wann er wieder Ani-ani dürfe und auch am übernächsten Tag und dem Tag darauf. Dann wurden seine Fragen seltener und seltener, bis er schließlich nach 2-3 Wochen zu fragen aufhörte. Er äußerte später ein paar Mal den Wunsch, zu probieren, aber es war wohl nicht ganz ernst gemeint, denn tatsächlich getrunken hat er nicht. Einmal hat er versucht zu nuckeln, aber es hat nicht mehr funktioniert, er hatte es schon verlernt. Beim Abstillen war er 3 Jahre und 8 Monate alt. Gabriel erinnert sich an das Stillen, ich weiß aber nicht, wie intensiv diese Erinnerungen sind. Einmal habe ich mit ihm über das Ende unserer gemeinsamen Stillzeit gesprochen und er hat geweint, als ich ihm von seinem Kummer damals erzählt habe. Ich glaube, es war notwendig, einmal darüber zu sprechen. Denn für ihn war es nun mal kein glückliches Ende (für mich auch nicht!) und das auszusprechen und seinen neuerlichen Kummer darüber zu trösten, tat wohl not.

Übrigens habe ich das forcierte Abstillen später bereut, weil seine Eifersucht dadurch eher noch schlimmer wurde. Aber damals sah ich einfach keinen anderen Weg, ich war am Ende meiner Kräfte.

Nach dieser unerfreulichen Erfahrung war mir aber ein glückliches Ende meiner zweiten Stillzeit vergönnt. Ivo hat von meiner durch die Erfahrung erworbenen Gelassenheit beim Stillen profitiert und seine Bedürfnisse auch immer sehr deutlich angemeldet. Im Gegensatz zu seinem Bruder ließ er sich häufig nicht vertrösten und brachte mich so dazu, ihn auch als  größeres Stillkind in der Öffentlichkeit zu stillen. Im letzten Jahr unserer Stillzeit beschränkte er sich dann meist auf das morgendliche und das Einschlafstillen, bis auch das immer öfter ausfiel und schließlich irgendwann im letzten Dezember ganz aufhörte. So weiß ich gar nicht genau, wann er zuletzt gestillt hat. Ivo war 3 Jahre und 9 Monate alt, als er sich abstillte.

Nun sitz ich da – in meinem Elend…. und denke wehmütig an die schönen Stunden gemeinsamen Stillens zurück. An diese herrlichen Ruheinseln, die den Tag unterteilten und einem regelmäßige Pausen zum verschnaufen gönnten.
Mein Sohn hat am 16.10. seine letzte Mumi-Mahlzeit getrunken. Seitdem ist Feierabend.

Waaaas???? Das kann doch nicht sein?!? Nach knapp 28 Monaten einfach so mir nix, dir nix, aufzuhören? Jetzt schon?

Eigentlich wäre am 14.10. schon Ende gewesen… aber bis zum 16. stand ich dann knapp vor der Brustentzündung. Alles war verhärtet und tat schon ziemlich weh. Mir wurde so schwummrig.
Mit der Handpumpe brachte ich leider nur ein paar Tropfen raus. Aber zum pumpen war ich schon immer zu doof.
Mit einigen Überredungskünsten (keine Bestechung, sondern Erklärungen) brachte ich ihn dann so weit, dass er mir beide Seiten ein wenig abgetrunken hat. Folglich wurde es keine Brustentzündung und es gab keine weiteren Probleme mehr.
Ich habe ihn noch ein paar Mal gefragt, ob er denn noch Milch trinken möchte, was er aber jeweils mit einem vehementen NEIIIIIIN quittierte.
Nach einer Woche fragte ich ihn schon gar nicht mehr.

Als wir kurz darauf wir bei unseren Nachbarn waren, wo das Baby (damals 2 Wochen alt) gerade gestillt wurde, sagte er nur: Baby tut Milch trinken. Das war´s. Keinerlei Wehmut oder Verlangen selbst Milch zu trinken.

Ich fühlte mich in den ersten Tagen wirklich mies. Sinnlose Heulattacken wechselten sich mit dem Gefühl der Nutzlosigkeit ab. Ich hab es auf die Hormone geschoben – einer muss schließlich Schuld sein! Das verging aber zum Glück nach ein paar Tagen wieder.

Man wird einfach davon überrumpelt – egal wie oft man sich darüber im Vorfeld Gedanken gemacht hat. Aber ich kann guten Gewissens behaupten, dass es seine freie Entscheidung war nicht mehr Stillen zu wollen. Und das gibt mir eine tiefe innere Zufriedenheit. So hab ich es mir immer gewünscht, und so ist es dann auch geschehen (wenn auch schon nach knapp 28 Monaten). Was will ich mehr?

Mein Sohn will aber seitdem sehr viel Kuscheln und Körperkontakt. Er übersät mich teilweise geradezu mit seinen feuchten Küsschen. Mama-Bussi hier, Mama-Bussi dort… zu süß! Ich genieße diese extreme Zuneigung und Anhänglichkeit zur Zeit ganz arg! Ist irgendwie auch Balsam für meine abgestillte Seele.

Ich überlege mir die ganze Zeit auch, wie sich wohl ein kleines Baby fühlen könnte, das nach vier oder sechs Monaten einfach von heute auf morgen abgestillt wird. Diese innige Zweisamkeit kann doch nicht im geringsten durch andere „kalte“ Sachen ersetzt werden. Vor allem, wenn es das Baby noch so notwendig braucht und noch nicht selbst bereit für den nächsten Schritt ist (und das ist ja inzwischen wissenschaftlich belegt!).
Ich war zwar selbst auch noch nicht so richtig bereit für diesen Schritt, aber das ist vermutlich etwas anderes 😉

Es ist vorbei. Endgültig.

19.4., 5.45 Uhr, Wochenstation, knapp 31 Stunden nach der Geburt

Meine Kleine, jetzt habe ich Dich schon sieben Stunden nicht mehr gesehen. Habe schlecht geschlafen, aber was will man in einer solchen Situation erwarten?

Wärst Du bei mir, könnte ich wohl auch nicht viel besser schlafen, weil Du Deinen Hunger gestillt haben willst, ich jedoch noch keine Milch habe. Ich hoffe, ich kann meine Milchbildung schnell in Gang bringen, damit Du Deine Dir zustehende Muttermilch bekommst. Ich pumpe auch schon fleißig, aber es kommt noch kaum was.

Unser „Nachbarbaby“, am selben Tag geboren wie Du, schreit schon die ganze Zeit. Es ist nicht leicht für solch frisch gebackene Mütter, wenn der Milcheinschuss einige Zeit auf sich warten lässt. Die Schwestern bringen den Müttern hier kleine Nuckelflaschen mit Wasser oder wahlweise Glukoselösung. Dir habe ich an Deinem ersten Tag aus Unwissenheit und Verzweiflung auch so eine Flasche gegeben, aber viel hast Du daraus nicht getrunken. Wenn diese ersten Tage erst mal vorbei sind, wird es hoffentlich mit dem Stillen noch klappen. Wie wird es wohl für uns weitergehen?

14.30 Uhr

Ich war gerade bei Dir in der anderen Klinik, habe ganz viel mit Dir gekuschelt. Du bist so niedlich. Hast viel getrunken, wenn auch leider keine Muttermilch (da ist immer noch nichts außer ein paar Tropfen Vormilch), sondern diese künstliche Milchnahrung. Sobald beim Abpumpen mehr kommt, bringe ich es Dir, auch wenn es nur ein paar Milliliter sind. Muttermilch ist schließlich die beste Medizin, hab ich gelernt. Und die brauchst Du ja gerade.

23.50 Uhr

Das Milch Abpumpen klappt immer besser. Heute mittag kamen 2 ml, gerade eben waren es schon ganze 10 ml!

Außerdem sind meine Brüste ein wenig heiß, was wohl bedeutet, dass der Milcheinschuss „im Anmarsch“ ist. Wäre ja toll.

Morgen gehe ich nach Hause. Was soll ich noch hier in der Klinik ohne Dich? Ich möchte soviel wie möglich bei Dir sein. Je mehr ich bei Dir bin, desto weniger fremde Hände fassen Dich an, desto weniger wirst Du von mir entwöhnt. Ich möchte, dass Du weißt, wer Deine Mama ist. Nicht, dass Du denkst, es sei normal, alle paar Stunden von einer anderen Person betreut zu werden. Ich habe Dich so lieb.

Rückblick:

Trotz einiger Hindernisse (Pendeln zwischen zwei Kliniken, später Klinik und zu Hause, Abpumpen, langer Still- bzw. Pumppausen, Flaschensauger, Schnuller, Stress für Mutter und Kind, …) klappte das Stillen bei uns sehr gut. Ich war größtenteils auf mich allein gestellt. Ganz zu Anfang in der Entbindungsklinik half mir eine „Still-Hebamme“ beim Anlegen und man zeigte mir das richtige Abpumpen.

Doch wäre die Initiative zum Abpumpen und Stillen nicht von mir ausgegangen, hätte mich wohl keiner dazu gebracht, denn vom Personal her kam da keine Anregung. Ich war in den ersten Tagen psychisch so dermaßen neben mir, weil mir alles viel zu schnell ging, ich die Geburt noch nicht annähernd verarbeitet hatte, meine Tochter und ich getrennt wurden, ich nicht wusste, wo mir der Kopf stand… Und trotzdem, es hat irgendwie geklappt. Ich hatte natürlich auch wunde Brustwarzen, einfach, weil das Saugen und Abpumpen etwas völlig Neues für die empfindliche Haut war. Mit dem Wollwachs, das man mir in der Klinik mit nach Hause gegeben hatte, wurde es aber schnell besser.

Meine Tochter kam glücklicherweise gut mit dem Wechsel zwischen Brust und Flasche (nachts) zurecht.

Sie war insgesamt eine Woche von mir getrennt.

Zu Hause hatten wir Wochen später einmal eine Situation, in der mein Milchspendereflex aus irgend einem Grund blockiert wurde. Ich rief meine Hebamme an, die mir aber nicht wirklich weiterhelfen konnte und fand schließlich Rat in einem Internet-Stillforum. Die Tipps der anderen Mütter haben mir sehr gut geholfen. Und genau diese Mütter sind heute hier bei den Rabeneltern zu finden.

Seitdem hatten wir glücklicherweise nie wieder Probleme mit dem Stillen und genießen es auch heute noch, oder gar umso mehr.

Tja.
Vielleicht war’s das.
Vor etwa drei Wochen hatte ich morgens nach dem Stillen ziemlich starke Schmerzen (Zähne?) und habe wohl etwas genörgelt. Zumal ich noch einmal eingeschlafen war und Carl bestimmt 40 Minuten am Stück gestillt hat…
Woraufhin Carl aufsprang und meinte: er wolle eh nie mehr stillen, denn er sei jetzt groß genug.
Ich: echt?!
Er bestätigt, hüpft auf dem Bett rum, trällert: ich brauch keine Milch mehr…

Später am Tag frage ich noch mal nach: er ist total sicher.
Ich: also gut, dann schreiben wir das in den Kalender.
Er malt dann irgendwas in den Kalender.

Das war’s.

Am nächsten Abend hat er zwar schon danach gefragt, ließ sich allerdings sehr leicht ablenken.

Wir kuscheln jetzt viel mehr, er fragt oft, ob er auf meinen Schoß kann. Er fragt noch ab und zu, wenn er sehr müde ist, ob er jetzt stillen kann, aber ich kann ihn wirklich leicht davon abbringen. Nicht so wie früher, als an Diskussion nicht zu denken war.

Fünf Tage nach diesem abrupten Abstillen stürzte er und schlug sich das Gesicht auf (nicht wirklich dramatisch, aber blutig und schmerzhaft). Da wollte er unbedingt stillen und ich hab mich mit ihm aufs Sofa verdrückt und es eigentlich sogar genossen. Zumal es mich ärgerte, dass das vorherige letzte Stillen eher unbewusst und von meiner Seite genervt abgelaufen war.

Das ist jetzt zwei Wochen her.
Vergessen hat er es noch nicht, er fragt auch immer wieder mal, aber es ist kein existenzielles Bedürfnis mehr.

Ich bin total überrascht, eigentlich zufrieden mit dem Ablauf. Kriege nur ab und zu ganz leichte sentimentale Anwandlungen. Für die allerdings wenig Zeit bleibt. Wenn ich es zuließe, könnte ich mich aber bestimmt zu ein paar Tränen hinreißen lassen, denn irgendwie ist es ein ganz komisches Gefühl. Die endgültige Abnabelung, sozusagen. Wenn man es vom Körperlichen her sieht.

Für Carl scheint’s ok. Manchmal denke ich, dass unser Verhältnis in den letzten Wochen fast noch inniger ist. Weil ich mir bewusst ganz viel Zeit für ihn nehme.

Nachtrag: das passierte zwei Wochen vor seinem vierten Geburtstag. Er bezieht sich heute noch darauf mit: „Als ich noch drei war,…“ . Zweieinhalb Monate danach hatte er einmal einen ganz schlimmen Tag, er war sehr verwirrt und wollte plötzlich aus heiterem Himmel stillen. Insgeheim dachte ich, das würde eh nicht mehr klappen – doch es klappte. Allerdings schien es ihm selbst komisch vorzukommen und seitdem ist das Kapitel für ihn total abgeschlossen.

Das Gedicht ist bis auf den letzten Teil doch noch recht aktuell … und sehr nett geschrieben!

Wie sorgt der liebe Gott so treu,
für jedes Kindlein, das er neu
der Mutter gibt. Zu gleicher Zeit
macht er die Nahrung ihm bereit.
Die Einzige, die schon sein Magen,
sein kleiner Körper kann vertragen,
die alles was er braucht enthält.
Wie aber geht es auf der Welt?
Der Einen ist´s nicht angenehm,
sie findet Flaschen so bequem –
die Andere bildet sich gar ein,
es könnte keine Milch da sei –
und manche Überschlaue meint,
sie wüßt es besser, ihr erscheint,
die Milch zu dünn, zu gelb, zu blau,
als müsste sie erst ganz genau,
den lieben Gott einmal belehren,
wie er die Kindlein müsst ernähren.
Was ist die Folge? Not, Verderben!
Zahllose Flaschenkinder sterben,
und Ungezählte noch erkranken.
Ist das dem Zufall nur zu danken?
Nein! Tiermilch ist stets wohlbedacht,
genau fürs junge Tier gemacht.
Die Kuhmilch für den Kälbermagen,
wie soll ein Kind sie da vertragen?
Paßt wohl zu unserem Kind die Kuh?
So wenig passt die Milch dazu;
sie strengt den Darm den Körper an –
manch Kind ging schon zugrunde dran.
Drum Mütter, ernstlich seid gebeten:
Laßt Euch nicht durch die Kuh vertreten!
Seht, keinem Tier kommst in den Sinn,
sich seinen Jungen zu entziehn.
Soll denn das Menschenkind allein,
um so ein Recht betrogen sein?
Nein, echte Liebe drückt sich nicht,
um diese ernste heil´ge Pflicht.
Wie aber fange ich es an,
wenn ich mein Kind nicht stillen kann?
Nicht kann? Oft hört man´s weit und breit,
doch gibt’s das kaum in Wirklichkeit!
Habt doch Vertraun in diesen Sachen,
Ihr dürft nur keine Fehler machen,
die werden leider unbedacht,
unwissend tausendfach gemacht!
Bei mancher Frau wärs gut gegangen,
hätt sie ´s nur richtig angefangen.
Eh euer Kind erschein beizeiten,
müsst ihr die Brüste vorbereiten:
Kalt waschen, Luftbad, Sonnenschein,
wird ihrer Haut sehr nützlich sein.
Zu kleine Warzen könnt ihr fassen
und sanft emporziehn. Wegzulassen
ist alle Enge, kein Korsett,
das die Entwicklung hemmen tät´.
Und ist Besonderes zu fragen,
müsst ihr´s dem Arzt beizeiten sagen.

Und habt ihr Euer Kindchen dann,
so legt es fünf- bis sechsmal an:
Je eine Seite, 10 Minuten,
bis höchstens 20. Mehr des Guten
ist schädlich. Trinkt´s ´ne halbe Stund,
saugt es nur die Warze wund,
wird faul verwöhnt und quält euch sehr,
und trinkt im Ganzen doch nicht mehr.
Und darfs nicht nur die Warze fassen,
ihr müßts den Hof mitnehmen lassen,
sonst wird das Saugen sehr erschwert,
die Brust leicht wund und schlecht entleert.
Nachts lasst dem kleinen Magen Ruh,
er kann und darf nicht immerzu
arbeiten. Ihr könnt´s auch nicht tun.
Nachts müssen Kind und Mutter ruhn!
Die Brust braucht strengste Sauberkeit.
Es soll sie in der Zwischenzeit,
ein reines weiches Tuch beschützen.
Ein Leibchen kann sie unterstützen;
doch schnürt sie weder hoch noch fest,
weil das die Milch versiegen lässt.

Wusstet ihr …?

… dass bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mehr Kinder durch das Fläschchen gestorben sind als „Männer durch das Schießpulver“?

Römisches Reich –  Ursprünge der Ammenmärchen?

Ärzte

„… auf dass die Mutter nicht vor der Zeit altere, denn das tägliche Aussaugen der Brüste nimmt sie zu sehr mit“, behauptete der Arzt Saranus von Ephesus.

So ein Käse …

Wird eine Frau während der Stillzeit erneut schwanger, gerinnt ihre Milch zu Käse.

Überlieferte Rezepte zur Anregung der Milchbildung

Aus folgenden Inhaltsstoffen wurden Salben zur Einreibung der Brüste hergestellt:

  • Regenwürmer in mit Honig gesüßtem Wein
  • Zitzen von Milchvieh
  • Mischung aus Wasser und Fledermaus- oder Eulenasche

Behandlung eines Milchstaues

Auf die harte Brust wurden Pfannkuchen oder Omeletts gelegt. Auch Umschläge aus Kohl, weichem Brot, Eigelb, Weinstein oder zerstoßenen Kürbisblättern wurden empfohlen. Um die Verstopfungen in den Milchdrüsen zu beseitigen, saugten statt des Babys Frauen, Männer oder gar junge Hunde an der Brust.

Mittelalter

Bei den Bäuerinnen war Stillen nach Bedarf üblich. Sie gaben zu jeder Tages- und Nachtzeit dem Säugling die Brust, sobald er danach verlangte. Dafür unterbrachen sie die Haus- oder Feldarbeit oder ihren Schlaf, den sie zusammen mit dem Kind in einem Bett verbrachten. Üblicherweise wurden die Kinder 2 Jahre gestillt, bis die Mütter mit dem nächsten Kind schwanger wurden. Man glaubte, dass sonst das Kind an den Füßen des kommenden Kindes saugen würde.

Muttermilch galt als weißes Blut. Statt der Menstruation, die ja bekanntlich während der Schwangerschaft in den aller meisten Fällen ausbleibt, glaubte man, dass weißes Blut den Fötus ernähren würde. Nach der Geburt sammelte sich dieses Blut in den Brüsten und trat aus den Warzen als Milch aus, die wiederum das Neugeborene ernährte. Für die Menschen gab es keinen Zweifel, dass über die Milch nicht nur Nahrung an das Kind weitergeben wurde, sondern man war davon überzeugt, mit der Milch würde das Kind auch die körperlichen und moralischen Eigenschaften der Mutter aufnehmen.

Die Frauen von Stand dagegen konnten ihrer Pflicht, so viele Kinder wie möglich in kurzer Zeit zu gebären, nur nachkommen, wenn sie das Stillen den Ammen überließen. Mit der Zeit schickte es sich nicht mehr, überhaupt zu stillen. Gründe wie Schönheit, Bälle und Empfänge und nicht zuletzt die Angst, sich lächerlich zu machen, waren dabei ausschlaggebend. Der Glaube, dass auch sittliche Fehler der Amme über die Milch an das Kind weitergegeben wurden, hinderte jedoch keine Frau von Stand daran, eine Amme für ihr Kind zu engagieren.

Während der Stillzeit wurde von der Kirche und vielen Ärzten den Frauen  Geschlechtsverkehr strikt verboten. Nur wenige Ärzte, wie z. B. Laurent Jouset, teilten diese Auffassung nicht, wenn auch zu vermuten ist, dass es nicht ganz uneigennützig war:

„Die Frau, die ich über alles liebe, hat mehrere Kinder genährt, solange sie Milch hatte und ich habe nicht aufgehört, bei ihr zu schlafen und sie zu lieben, wie es ein guter Ehemann seiner besseren Hälfte nach den Regeln der Ehe schuldig ist. Gott sei Dank wurden unsere Kinder gut ernährt und haben sich gut entwickelt. Ich erteile anderen keine Ratschläge, die ich nicht auch selbst befolge. Ein großes, ungestilltes Verlangen ist der Hauptgrund für verdorbene Milch.“

Arcuccio – der erste „Babybalkon“

Erstmals anno 15. Jahrhundert in Aufzeichnungen überliefert. In Florenz war der „Babybalkon“, eine extra angefertigte Holzkonstruktion, die neben das Bett gestellt wurde, für Ammen vorgeschrieben. Diese gesetzliche Maßnahme sollten den Kindstod durch Erdrücken eindämmen.

Hohe Säuglingssterblichkeit

Die tatsächlichen Gründe für die hohe Säuglingssterblichkeit waren mit hoher Wahrscheinlichkeit in den meisten Fällen andere. Die englische Historikerin Valerie Fildes mutmaßte in ihrer Studie Breast, Bottles and Babies, dass Kinder, die früh von ihrer Mutter getrennt würden, nicht in den Genuss der abwehrstoffreichen Vormilch kämen und so besonders anfällig für Infektionen gewesen seien. Das traf insbesondere auf Orten weit entfernt von ihrer Heimat zu, in denen ganz andere Umgebungsbedingungen herrschten als zu Hause.  Hinzu käme Trennungsschmerz und Trauer, so wie die katastrophalen Transportbedingungen. Alle dies wären Faktoren, die das kindliche Immunsystem insgesamt schwächten. Sie schließt daraus, dass Kinder eher aufgrund dieser Rahmenbedingungen dem Kindstod oder Infektionen zum Opfer fielen, als dass sie tatsächlich von ihren Ammen erdrückt oder erstickt worden wären.

Das 18. Jahrhundert

Aufzeichnungen des Polizeipräfekten Lenoir, 1780 Paris:

– 21 000 Geburten, davon 1000 Kinder von den eigenen Müttern gestillt, 1000 von Hausammen, 19000 von Ammen, die auf dem Land zumeist als Bäuerinnen lebten –. Der Transport der Kinder aufs Land glich Viehtransporten, dicht an dicht in Körben wurden die Kinder auf offenen Karren oder in Sattelkörben auf dem Rücken von Eseln durch die Gegend geschüttelt. Die Säuglingssterblichkeit war hoch. Das führte zu einem Umdenken. Da in den Städten kaum Frauen gab, die sich als Ammen anboten, entstand ein Markt für einen neuen Berufsstand: die Ammenverdingerin und der Ammenbesorger. Die Ammenverdingerin warb auf dem Land Frauen an und der Ammenbesorger, vermittelte diese in die Stadt, sobald die Ammenverbringerin einen Auftrag für das Stillen eines Säuglings erhalten hatte.

Ludwig der XIV. regelte das Geschäft der Ammen per Erlass. Amme durfte nur sein, wer vom Dorfpriester eine Identitäts- und Moralbescheinigung ausgestellt bekommen hatte. 1769 wurde in Paris ein Hauptamt für Ammenverdingung eingerichtet. Andere Städte in Europa folgten diesem Beispiel: Versailles, Lyon, Stockholm, Hamburg. Bevor eine Amme ihren Job beginnen konnte oder eben nicht, war es üblich, dass ein Arzt die Milch kostete und ein Attest ausstellte:

  • gekostet und angenommen
  • gekostet und abgelehnt

Viele Eltern kümmerten sich bis zum zweiten oder dritten Lebensjahres ihres Kindes nicht ein einziges mal um dessen Wohlergehen, manche kamen nicht einmal zur Beerdigung. Nicht immer steckte Gleichgültigkeit dahinter, denn Frauen wie Männer mussten hart für den Unterhalt ihrer Familie arbeiten. Fürsorge und Erwerbstätigkeit ließ sich in vielen Fällen nicht vereinbaren. Manches Zeugnis über die Sorge der Eltern ist überliefert wie z. B. dieser Brief der Frau eines Pariser Handwerkers an den Bürgermeister des Heimatdorfes ihrer Amme:

„Verzeiht die Belästigung, doch Ihr hört eine Mutter, die in größter Sorge um ihr Kind ist, das am 18. November 1833 einer Amme, einer gewissen Guille, Frau des Holot, wohnhaft in Beaubray, anvertraut wurde. Sie hat am 5. Dezember geschrieben, daß mein Sohn sehr krank sei, und seither sind wir ohne Nachricht. Allmonatlich habe ich ihr Geld an das Amt bezahlt, doch nie hat sie mir den Erhalt bestätigt. Habt die Güte, mir zu antworten, Ihr erwieset damit einer zutiefst beunruhigten Mutter einen großen Dienst.“

Die Hausammen führten ein vergleichsweise sorgenfreies Leben, betrachtet man die reine Oberfläche. Auf die Ernährung der Ammen wurde streng geachtet. So wurde ihnen zartes, junges Fleisch z. B. von Lamm gegeben. Die Speisen durften nicht zu kräftig gewürzt sein. Zwiebeln, Knoblauch, Pfeffer, Minze oder Basilikum durften sie zur Vorbeugung von Blähungen beim Säugling nicht essen. Als milchfördernd galten Kohl, Fenchel, Anis und Kopfsalat. Sie war in der Hierarchie des Personals die Ranghöchste, ihr durfte nicht widersprochen werden aus Angst, dies könnte sich negativ auf ihre Milchbildung auswirken. Doch der Schein trügte. 1904 schrieb der Geburtshelfer Adolphe Pinard: „Sieht man auf den öffentlichen Sparzierwegen eine majestätische und wohlgenährte Amme, die einen Säugling auf dem Arm trägt, so darf man nicht vergessen, dass ihr eigenes armes Kleines oft leidet oder schon gestorben ist.“

Zufüttern

Im Mittelalter wie im 18. Jahrhundert war frühes Zufüttern bei den „Ammen-Kindern“ üblich. Ärzte empfahlen zwischen der 2. Lebenswoche und des. 2. Lebensmonats mit der Beikost zu beginnen. Kriterium für ein gut gedeihendes Kind war sein Gewicht – je fetter, desto gesünder. Ludwig der XIII. bekam beispielsweise seinen ersten Brei im Alter von 4 Wochen: Wasser oder Milch mit gekochtem Brot, manchmal zugesetzt mit Bier oder Wein. Auch Brotsuppe war sehr beliebt. Sie enthielt neben Brot, Butter und Fleischbrühe, manchmal auch Eier. Der Brei wurde vorgekaut, das Kind lutschte ihn vom Finger der Mutter, des Vaters oder der Amme.

Leopold Hugo, geboren 1823, Bruder von Victor, konnte von seiner schwer kranken Mutter nicht gestillt werden. Versuche mit Ammen blieben erfolglos. So besorgte sich die Familie schließlich eine Ziege. Leopold wurde direkt an ihr Euter angelegt und von ihr ernährt.

Eigentlich war Eselsmilch die Ersatzmilch erster Wahl. Nur Esel hatten einen großen Nachteil, sie waren für Städter zu „unhandlich“.  Eselsmilch wurde von Ärzten empfohlen, da sie in ihrer Zusammensetzung der Muttermilch am ähnlichsten ist. Neben dem Kinderkrankenhaus der Pariser Fürsorge befand sich im Jahre 1881 ein Eselsstall. Eine Eselin ernährte pro Tag zwei Kinder. Für Waisenkinder, Frühgeburten, ausgesetzte oder syphiliskranke Kinder war die Tiermilch oft die einzige Überlebenschance. Die Kinder lagen im Schoß der Schwestern und saugten vom Euter der Esellinnen.

Ende des 17. Jahrhunderts wurde am englischen Hof statt Muttermilch, Tiermilch favorisiert als beste Säuglingsnahrung überhaupt. Ein Grund dafür war vermutlich der inzwischen schlechte Ruf der Ammen, denen unterstellt wurde, dass sie die ihnen anvertrauten Kinder aus Habgier töteten, z. B. durch absichtliches Erdrücken während der Nacht.

Und das ist wirklich das Letzte!

Erst 1910 verbot die französische Nationalversammlung endlich Herstellung und Verkauf von Kautschuksaugern und -schnullern. Das wurde auch Zeit! Die ersten dieser Brustattrappen kamen bereits 1830 auf den Markt. Kautschuk wurde damals nach Gewicht bezahlt. Um dieses zu erhöhen, mischten die Kautschukhersteller Bleisalze, Zink, Antimon und Arsen bei.