Ein Beitrag von Talpa
Der 1. Mai hat in unserer Familie Tradition – wir treffen uns mit Freunden und Verwandten auf dem Umzug und danach feiern wir mit vielen anderen Menschen ein buntes, duftendes, lautes und fröhliches Fest. Dieses Jahr stapften meine kleine Vierjährige und ich tapfer eingemummelt in warme Regenkleidung mit. Eine gute Gelegenheit für politische Bildung – und eine gute Übung für mich, meine Grundsätze und Positionen in einfache Worte zu kleiden und damit auch mir selbst immer wieder zu überlegen, wie ich stehe.
Plakate und Schriftzüge übersetzen ist einfach: Zugegeben, das Hauptthema der diesjährigen Veranstaltung „gerechte Altersvorsorge“ lässt ein Kind, für dessen Zeithorizont schon der nächste Geburtstag unter „nie mehr“ rangiert, eher kalt. Aber das zweite Thema, Flüchtende, das ist ihr wichtig und das findet sie interessant. Ja, doch, die haben Recht, alle sollen zur Schule gehen dürfen – so wie der grosse Bruder. Da lernen sie lesen und können den kleinen Schwestern Bücher vorlesen. Danke auch an all die internationalen Gruppen, die sich die Mühe machen, ihre Parolen ins Deutsche zu übersetzen, leider weiss ich immer noch nicht, wofür die Gruppe ganz am Schluss des Zuges demonstriert hat.
Etwas schwieriger wird es zu erklären, warum da am Rand unseres Zuges Wasserwerfer und diese mit Gittern versehenen Mannschaftswagen stehen, die Menschenmengen nach hinten drängen könnten. Und PolizistInnen mit Gummischrotgewehren, Bündeln von Kabelbindern in den Hosentaschen und Schildern an den Gürtel gebunden an jeder Ecke. Ach so, für Menschen, die Sachen werfen und Dinge kaputt machen? Warum tun die das? Dann sind das böse Menschen? (Im Weltbild einer Vierjährigen hat die Polizei nur zwei Aufgaben: vor Räubern, also bösen Menschen, zu schützen und kleine, verlorengegangene Vierjährige nach Hause zu bringen.) Nein, mein Kind, das sind keine bösen Menschen. Die wollen eigentlich sogar dasselbe wie wir sagen. Aber sie sagen es auf eine Art und Weise, die ich nicht gut finde. Mhmhm, kommt da nur zurück.
Ich merke aber, die Frage treibt sie weiter um und nach einem leckeren internationalen Mittagessen haben wir auf dem Heimweg eine Menge Zeit und Gelegenheit, die Frage weiter zu besprechen – wir müssen nämlich wie die Hasen zickzackschlagend durch den Stadtteil, der traditionellerweise Austragungsort der Scharmützel zwischen Schwarzem Block und der Polizei ist. Wir fragen Polizistinnen nach der sichersten Route und kommen an einer Menge beeindruckender Polizeifahrzeuge vorbei. Warum magst du diese Menschen nicht? Nein, Schatz, ich mag die Menschen schon, ich mag nur nicht, wenn sie Sachen kaputt machen und ich jetzt auf dem Heimweg so auf dich aufpassen muss, damit du nicht plötzlich mittendrin steckst. Warum die Menschen das tun? Nun, ich denke, weil sie so wahnsinnig wütend sind – das versteht mein kleiner Wutzwerg sehr gut, wütend zu sein, dass man fast platzt, das kennt sie! Ja, aber wenn man wütend ist, dann darf man trotzdem nicht hauen und Sachen kaputt machen, gell? Dann soll man sagen, dass man wütend ist. Aber nicht jemandem weh tun und seine Sachen wegnehmen.
Genau, mein Kind das ist der Punkt. Wie bei uns zuhause ist es auch zum Glück in unserem Staat so: JedeR darf jederzeit sagen, wenn sie/er wütend ist. Das ist wichtig und eine tolle Sache – für Familie genauso wie für den Staat.
Aber wir hauen nicht und machen keine Sachen kaputt, bitte.